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Ein Traum wurde wahr!

 

Es ist immer noch wie es am 26. November 2005 war: wenn ich über die Deutschen Cross Meisterschaften erzähle, funkeln stets meine Augen und glitzern von den Tränchen, die sich heimlich vor Freude und Unfassbarkeit einschleichen. Was am 26. November geschah, habe ich noch immer nicht wirklich begreifen können. Und ich werde es wahrscheinlich auch nie. Denn es war einfach der perfekte Tag, die perfekte Stunde, das perfekte Rennen. (Vielleicht verkörperte sich sogar der Perfektionismus höchst persönlich für 17 Minuten und 5 Sekunden in mir). Schon vor der Ziellinie riss ich die Arme hoch, jubelte wie ich es noch nie getan habe, stütze mich im Ziel auf meinen Knien ab und ließ meinen Tränen erst einmal freien Lauf. Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und wenige Sekunden später stürzten sich unendlich viele nette Leute auf mich, um mir zu meinem Sieg zu gratulieren. Es gab Umarmungen und noch mehr Tränen und ich werde diese wundervollen Minuten wohl nie vergessen.

>Es sollte noch besser kommen...

Immer noch mit dem Gedanken überfordert, Deutsche U-23 Crosslauf Meisterin zu sein, sollte eine weitere äußerst positive Nachricht folgen: Detlef Uhlemann, einer der ersten Gratulanten, kam wenige Zeit später erneut auf mich zu und teile mir mit, dass ich für das Frauenteam bei der Crosslauf Europameisterschaft nominiert bin. Ein Start sei mir sicher. Ich wollte es nicht glauben. Und ich konnte es auch nicht. Das war einfach alles zu viel.
Ich bin nach Darmstadt gereist mit der Hoffnung, unter die ersten acht Juniorinnen zu kommen. Nicht im geringsten habe ich mit einer Medallie gerechnet, denn die Monate November/Dezember waren einfach nie „meine“ Monate. Stets geprägt von nicht überragenden Wettkämpfen und Quälereien im Training hatte ich mich schon darauf eingestellt, auch dieses Jahr nicht wirklich in die Gänge zu kommen. Dass es im Training besser lief als sonst ließ zwar auf einiges hoffen, aber mit dem was ich letzten Endes vollbracht habe, hatte und konnte keiner rechnen. Heute weiß ich also auch: je überraschender etwas kommt, desto weniger kann man es glauben, aber desto schöner und emotionaler ist es auch.

Doch ich möchte nicht weiter meine Gefühle beschreiben. Ich glaube das würde mir auch gar nicht so recht gelingen, denn wenn ich auch nur an diesen Lauf denke (ich danke an dieser Stelle für die Flügel die ich bekam), spielen Gefühle und Gedanken verrückt...also belasse ich es nun dabei und komme zu einer wichtigen, um nicht zu sagen der wichtigsten Erfahrung, die ich bis jetzt sammeln durfte....

>Die Crosslauf Europameisterschaften in Tillburg/Niederlande.

Und was ich dort erlebte habe, ist Wahnsinn...und war unheimlich wichtig für mich. Es war schon allein die Stimmung im Team, die mich faszinierte. Stets gut gelaunt, waren Athleten und Betreuer wie eine kleine Familie. Das Hotel war erste Klasse und ausgebucht von nur Athleten und Betreuern. Denn alle Nationen waren mit ihren Teams in diesem einem Hotel.

>Freitag: Auf nach Holland...

Freitag wurde ich voller Erwartungen von Detlef Uhlemann in Köln abgeholt, Susanne Ritter schon im Auto und Birte Bultmann wurde auf dem Hinweg noch eingesammelt. Die anderen reisten separat an, doch schon schnell merkte ich, wie gut dieses Team harmonisierte und wie gut wir uns alle verstanden. Dennoch war mein persönliches Highlight wohl die kleine nette Deutschlandtasche, mit all der Nationalkleidung. Auch wenn einige Dinge, der DLV wird mir wohl verzeihen, eher unmöglich aussahen, als das man sie mit Stolz tragen wollte, hatte ich doch wieder dieses packende Gefühl, etwas erreicht zu haben, etwas in den Händen zu halten, was man nicht alle Tage bekommt, etwas, für das ich gekämpft und viel Zeit investiert habe. Es war dieses Gefühl, einen kleinen Traum verwirklicht zu haben. 

>Samstag: Streckenbesichtigung

Samstag Vormittag wurden uns von der Veranstaltung große Busse zur Verfügung gestellt, die uns endlich einmal zur Strecke brachten. Es war zwar kalt ohne Ende, aber wir konnten es uns auch nicht entgehen lassen, die Strecke einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Anfangs noch harmlos ausschauend, wurden wir beim abgehen doch eines Besseren belehrt. Denn so ordentlich gepflegt die Wiese beim Start auch erschien, so ordentlich matschig war doch der Rest. Matsch, in dem man ersinken konnte, rutschig ohne Gnade, Gräben, durch die wir laufen sollten, eine extra aufgebaute große Holzbrücke, um den ohnehin schon anspruchsvollen Kurs noch mehr kräfteraubend zu machen. Eine Strecke eben, die dem Namen „Cross“ alle Ehre machte; und wir in unserer Mannschaftskleidung (die wir immer tragen sollten) damit besorgt, uns ja nicht zu viel dreckig zu machen. Denn das wollten wir schließlich erst Sonntag...aber nun wussten wir, was auf uns zukam, auf welch schwerer Strecke die Cross Europameisterschaften ausgetragen wurden. Und wir waren bereit, uns der Aufgabe, dem Parkcour  zu stellen und unser Bestes zu geben. Der Sonntag konnte kommen...

>Sonntag: "Ich konnte es kaum erwarten am Start zu stehen."

...Und er kam. Da war er nun, dieser Tag, an den ich vor den Deutschen Meisterschaften nicht auch nur einen Gedanken verschwendete. Trotz dieses großen Events ließ ich mich durch nichts aus der Ruhe bringen, schlief gut wie immer und wachte voller Tatendrang und Begeisterung auf. Ich konnte es eigentlich kaum erwarten, am Start zu stehen. Mich faszinierte es, dass wir uns als EIN Team einlaufen gingen, alle zusammen, in den Farben von Deutschland. Mich faszinierte es zu sehen, wie sich andere Spitzensportler warm machten, mich  faszinierte es am Rande auch noch mit zu erleben, wie wacker sich unsere U-20 Juniorinnen und Junioren schlugen und kämpften, mich faszinierten all die tausend Zuschauer, die von einer Ecke der Strecke zur anderen rasten, um nur ja möglichst viel mitzubekommen, um möglichst viel anzufeuern, um möglichst viel Stimmung zu machen; kurz: mich faszinierte die ganze Atmosphäre. Obwohl ich mich vielleicht mehr auf meinen Lauf konzentrieren sollte, war ich dennoch mit meinen Gedanken überall, denn alles war so wahnsinnig spannend und aufregend. Auch ich. Oh ja, aufgeregt war ich. Denn schließlich hatte ich im Grunde doch gar keine Ahnung, was mich wirklich erwarten würde.

Nach dem Aufwärmen ging aber doch alles sehr schnell. Wir schnappten unsere Spikes und gingen geschlossen in den Startbereich, denn  nur als komplettes Team kam man in diese Zone. Die üblichen, mir schon von Deutschen Meisterschaften bekannten Abläufe folgten: Auf den Listen abhaken lassen, Nummern zeigen, Trikot zeigen (sind wir auch alle brav im selben Dress?) und wenige Sekunden später standen uns schon 3 Körbe bereit, in die wir unsere Sachen ablegen konnten und die von nun an uns hinterher transportiert wurden. Doch es blieb nicht mehr viel Zeit. Noch schnell eine lockere Steigerung, noch schnell einmal tief durchatmen und auf zum Start. Das Deutsche Team in der Startbox Nummer 11. Ganz vorne Sabrina Mockenhaupt und Susanne Ritter, dahinter der Rest von uns. Ich konnte kaum inne halten, da viel schon der Startschuss. Pünktlich. Und ehe ich auch nur den ersten Schritt machen konnte, sah ich schon das komplette Teilnehmerfeld vor mir. Alle stürmten los, kämpften um Positionen, sprinteten was das Zeug hielt, Matsch spritze in Unmengen...und ich ganz hinten. Als Letzte. Doch ich machte mir da nicht sonderlich viel draus. Warum auch? Was hatte ich zu verlieren? Schließlich lagen noch 6,5 km vor uns. 6,5 schwere Kilometer. Ich musste mir auch zugleich eingestehen: Europameisterschaften zeigen eine ganz andere Klasse. Hier im Cross traf sich alles...von einer 800 Meter Läuferin bis hin zu den Marathonis. Doch schon schnell zog sich das Feld auseinander. Ich kämpfte und versuchte, mich Stückchen für Stückchen ein paar Positionen weiter nach vorne zu bringen. Denn Letzte wollte ich doch nicht werden.

Die Stimmung an der Strecke war Wahnsinn. Schreie, Rufe, in allen Sprachen, die Menschen stürmten von einer Ecke zur anderen, eiferten nach, gaben uns Motivation. Durch den Ansager wurde stets das aktuelle Ergebnis angesagt. Sowohl wer in den Spitzenpositionen lag, als auch nach jeder Runde die Mannschaftswertung. Schon während dem Rennen waren wir also bestens informiert.

>Die Dopingprobe - ein Highlight

Dennoch habe ich nachher leider nicht mehr viel mitbekommen. Kaum kam ich erschöpft im Ziel an, wurde ich direkt von einer Helferin in schlechtem Englisch gefragt, ob ich Christina Mohr sei. Verwundert bejahte ich und fragte mich, warum dies wichtig sei. Doch kaum einen Atemzug später wusste ich bescheid: wieder einmal fiel das Los auf mich: ich wurde zur Dopingkontrolle aufgefordert! Was mich im ersten Moment nicht besonders glücklich machte, wollte ich doch lieber noch die Stimmung im Zielbereich weiter miterleben, sah ich nachher dennoch als etwas Positives an: denn nicht alle Tage kommt man bei einer Internationalen Meisterschaft zur Dopingkontrolle. Ich sah es also als eine kleine lustige Chance.
Was mir dafür allerdings genommen wurde: live bei der Siegerehrung von Sabrina Mockenhaupt dabei zu sein. Schon im Ziel war es unglaublich zu sehen, wie sich plötzlich alle Medien, alle Reporter, einfach alles auf die Sieger stürzten...und wir Deutschen mittendrin, den 2. Platz am feiern, Umarmungen hier und da...einfach toll. Auch wenn ich mich schnell umzog und gleich weiter musste, so sind dies doch Momente, die eigentlich gar nicht an einem vorbeigehen können. Ich bekam also doch noch genug von der Atmosphäre mit (und zugegeben: ich hatte mir auch viel Zeit beim umziehen gelassen!). Nun, auf die Dopingkontrolle sollte ich wohl nicht weiter eingehen. Das Übliche eben. Ich trank und trank und trank und war irgendwann froh, endlich diesen Druck zu spüren und dem Wasser wieder freien Lauf zu lassen...

>Gefeiert bis zum letzten Lied

Doch der Tag war ja noch nicht zu Ende. Das große Abschlussbanquett stand schließlich noch an. Wir machten uns also alle schick und auf zum großen Festsaal im Hotel. Und da waren sie wieder alle...vereint. Alle Nationen, alle Athleten, alle Betreuer...alle in diesem einen Raum, froh, sich an einem riesigen und leckeren Buffett zu bedienen, denn nach harter Arbeit hatte man sich auch einiges verdient. Doch an Stelle in irgendeiner Weise müde zu wirken, waren wir Deutschen doch immer noch voller Taten – und Bewegungsdrang. Noch nicht verdaut, stürmten wir schon die Tanzfläche. Im Getümmel vieler (wenn wohl auch doch eher nur jüngere) Athleten feiert wir, was das Zeug hielt. Selbst Detlev Uhlemann und einige unserer Betreuer ließen sich den Spaß nicht nehmen und mischten sich unter die Menge. Wir sind eben nicht nur sportlich eine Mannschaft, sondern auch wenn’s ums Feiern geht. Zugegeben: das überraschte mich positiv! Und so war es auch kein Wunder, dass wir alle enttäuscht und traurig waren, als die Organisatoren plötzlich das letzte Lied spielten, als plötzlich schon mit aufräumen angefangen wurde, als plötzlich eben einfach alles vorbei war.

Es war nun also Sonntag Abend, und offiziell waren die Cross Europameisterschaften 2005 vorbei. Für mich aber nur offiziell. Denn inoffiziell werden sie nie vorbei sein. Ich konnte aus diesen Tagen so viele wichtige Erfahrungen sammeln, die mich sportlich sicher um einiges bereichert haben. Doch auch persönlich habe ich einiges mitnehmen können: wir waren ein tolles Team, harmonisch und stets gut gelaunt, der Zusammenhalt war perfekt, die Tage in Tillburg waren bestens organisiert und auch die Dopingkontrolle war in gewisser Hinsicht ein Highlight für mich. Meine ersten großen Meisterschaften werde ich wohl nur in guter Erinnerung behalten können und kann nur hoffen, noch weitere solch toller Erfahrungen zu sammeln. Denn das ist es, was alle Athleten motivieren sollte: versuchen, die Chancen zu nutzen. Ich hatte die Chance, so unerwartet sie auch kam, dort zu starten; ich habe sie genutzt und sie hat mich um ein wichtiges Stück bereichert.

...Und natürlich hätte ich viel mehr und viel ausführlicher Bericht erstatten können...doch ich ende an dieser Stelle, mit der Hoffnung, euch, liebe Leser, auch ein Stückchen bereichert zu haben.

 

Christina Mohr (Januar 2006)

 

Quellen/Ergänzungen: