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Die wichtigste Zeit meines Lebens

 

Es ist nun also tatsächlich schon über einen Monat her, dass ich in den Flieger stieg, um in meine „wirkliche“ Heimat zurück zukehren. Mit zwei wahnsinnig schweren, ja kaum tragbaren riesigen Taschen, einem Rucksack, einer Laptop-Tasche, 2 Handtaschen und einer Decke unter dem Arm verließ ich meine Wohnung. Das die Tränen dabei nicht ausbleiben würden, ja dessen war ich mir bewusst. Aber das ich so viele schwere Stunden vor der Abreise haben würde, hätte ich nie gedacht. Mit einem vor Tränen dick geschwollenen und einem von Erinnerungen vor Freude und Frohsinn funkelnden Auge musste ich die USA endgültig verlassen...

...Wenn ich nun zurückblicke, sollte ich wohl an erster Stelle erwähnen: mein USA-Aufenthalt war wohl das Beste, was ich je gemacht habe. Diese Chance zu nutzen hat mein Leben um so viele Eindrücke und Erfahrungen bereichert, dass ich hoffentlich mit meinen Erzählungen noch viele Andere dazu bewegen kann, den Mut zu haben, diesen Schritt zu gehen. Was ich in dieser Zeit gelernt habe, davon werde ich wohl auch mein ganzes Leben noch schwärmen.

Doch umso schöner der Aufenthalt, auch umso schwerer der Abschied. Tränen flossen in Unmengen, Umarmungen konnte es nicht genug geben. Als der Flieger endgültig abhob, musste ich so laut weinen, dass mein Banknachbar sich Gedanken machte und mich anschließend tröstete.

>Rückkehr nach Deutschland

Auch die ersten Tage in Deutschland waren doch zunächst wieder sehr gewöhnungsbedürftig. Von positiver Seite betrachtet bin ich morgens nicht mehr aufgewacht und habe ein Toast gegessen, sondern ein leckeres frisches und knuspriges Brötchen oder selbstgebackenes Brot. Mein Bett in Deutschland ist weicher und mein Zimmer viel größer, und auch all die Freunde zu sehen ist unbeschreiblich. Dennoch wurden all diese tollen Dinge von den negativen überschattet. Davon, dass ich eben nicht mehr 24 Stunden unter Amerikanerinnen bin, davon, dass ich wieder mehr alleine trainieren muss, davon plötzlich eben einfach wieder ein ganz anderes Leben führen zu müssen. Denn diese Ungewissheit, wann man seine amerikanischen Freunde noch einmal wiedersieht, ist ein Gedanke, der einen leiden lässt---doch mit Sicherheit kann ich sagen: zu vielen Personen und engen Freunden wird der Kontakt nie abbrechen. Ein Lob auf die moderne Technik, die dies um einiges erleichtert.

Nun, doch was habe ich mit nach Deutschland genommen, außer viel zu viel Gepäck (und es war dennoch so wenig!)? Was für Erfahrungen habe ich gemacht?

Voller Stolz kann ich nun sagen, dass ich eine zweite Sprache doch relativ gut beherrsche. Ich hatte mich so an das Englische gewöhnt, dass ich anfangs sogar Schwierigkeiten hatte, wieder problemlos und ohne zu stottern Deutsch zu reden.

Aber die Sprache alleine ist nicht das Entscheidende. Viel wichtiger war für mich die Erfahrung, die ich mit all meinen Freunden dort gemacht habe. All die Dinge, die ich über sie und ihren Lebensstiel erfuhr, all die Dinge, die sie mir über Amerika und eine völlig andere Kultur erzählten. Was für sie normal war, war für mich manchmal einfach unglaublich. Nicht nur was die Größen anbetrifft....denn in Amerika ist nun mal alles Übergröße!

>Amerikanischer Teamgeist

Was ich von Deutschland aus nicht kannte war diese Gemeinschaft, dieses große Zusammenhalten im Team. Für das Team haben wir alles gegeben. Für das Team haben wir bis zum Umfallen gekämpft. Auch diese Gewissheit, dass um drei Uhr mittags stets eine Gruppe auf dich wartet, um sich mit dir zu quälen, war unendlich wichtig. Denn nicht ein Tag verging, an dem wir alleine durch die „Nachbarschaft“ liefen. Die Laufgruppe gab mir Motivation; und den Spaß. Denn was ich in Deutschland ein wenig vermisste, wurde mir in Amerika voll und ganz erfüllt: das gemeinsame Training. Und schnatternde Mädels haben dabei doch schon eine ganze Menge Spaß.  Klar war es zunächst umso gewöhnungsbedürftiger, hier daheim meist wieder alleine durch die Wälder zu flitzen.

Für all die Trainingseinheiten, die wir zusammen überstanden, wurde wir, und nicht nur die Läufergruppe, sondern das komplette „Coastal Carolina Track and Field – Team“, auch endlich zum Abschluss der Saison belohnt. Die „Big South Championships“, für unsere Universität der wichtigste Wettkampf, konnte wir feierlich gewinnen. Als „Big South Champs“, wie wir uns nun nennen dürfen, werde ich wohl nie die Sekunden der Bekanntmachung vergessen. Das Geschrei, die Umarmungen, die Freude aller Teamkameradinnen...ein Gedanke, der mir immer noch Gänsehaut bringt.

Die Wettkämpfe in Amerika sind eben anders. Nicht der Einzelne, sondern das Team steht im Vordergrund. Natürlich hat dies manchmal gewisse negative Seiten. Sei es das, wenn man spät am Tag startet, ewige Warten auf dem Sportplatz, denn schließlich reist man als Team an, oder das Essen, was uns über den Tag geboten wird (es lässt sehr zu wünschen übrig...). Aber entschädigt wird dies wiederum durch den Mannschaftserfolg und durch ein leckeres Buffet - Essen in einem Restaurant nach einem anstrengenden Tag. Denn nach jedem Wettkampf stoppte das komplette Team zur Stärkung an einem solchen Buffet-Restaurant. Und diese Gaststätten bieten einiges. Was auch immer man will...man findet es dort...alles in Unmengen...alles lecker!

>Richtig amerkikanisches Leben...

Doch einmal weg vom Sport. Amerika ist ein Land, das völlig anders und eigentlich unbeschreiblich ist. Mir fällt es zumindest schwer, es in Worte zu fassen. Die Highways entlangfahrend, sieht man rechts und links statt Wälder oder Felder ein Fast Food Restaurant neben dem anderen. Am „Drive-In“ wartet grundsätzlich eine Schlange von Autofahrern und auch in vielen Familien wird statt daheim bei McDonalds und Co gegessen. Es gibt selbst Sparkassen und Apotheken, die ein solches „Drive-In“ haben. Aussteigen ist in Amerika völlig unnötig, kann man doch aus dem Auto heraus ebenso gut alles regeln. Bequemlichkeit steht wohl an erster Stelle.

Dennoch, es gibt etwas, das in Amerika viel viel besser ist. Und das sind die Klamotten. Klar, shoppen könnte ich ohnehin ständig und ohne Ende, aber in Amerika ist einfach alles so billig. Schuhe, Hosen, Pullis, T-Shirts...hier bezahlt man 100 Euro, dort vielleicht 50 Dollar. Ach, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gerne ich mehr eingekauft hätte...aber die Gepäckregelung ließ es nicht zu. Gemein, gemein.

Überflüssig waren aber diese Zweifel die ich hatte, dass ich in Amerika studieren muss. Sorgen gemacht habe ich mir damals, ob ich das schaffen kann, ließ doch mein Englisch sehr zu wünschen übrig. Heute weiß ich, wie gut das man immer des Besseren belehrt wird, dass all diese Zweifel unnötig waren. In Deutschland, ich gebe es offen zu, war ich nicht gerade die Beste in der Schule. In Amerika aber! Das Lernen fiel mir so leicht, die Vorlesungen waren verständlich, ja von Anfang an hatte ich keine Probleme, dem Studium zu folgen. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass das Niveau meiner Meinung nicht das Höchste war, denn man konnte zumindest die richtige Antwort erraten, da alle Arbeiten Multiple-Choice Tests waren. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wenn ich gelernt habe, ich dies viel konzentrierter tat. Denn Englisch ist eben nicht Deutsch, was man beim lesen einfach so überfliegen kann...dennoch, einen kleinen Schulterklopf verdiene ich mir für meine Leistungen. Manche Amerikaner wunderten sich ganz schön, dass ich als Ausländerin die guten Noten bekam und sie nicht. Ich hatte jedenfalls Freude dran!

Freude auch daran, dass meine „hausfraulichen“ Kenntnisse dank einer eigenen Wohnung täglich neu gefordert wurden. Traf das Essen in der Mensa, wenn auch nur selten, einmal nicht unseren Geschmack, so kochten wir fleißig unser eigenes Menu. Oder sei es das Spülen, Putzen, Aufräumen, Wäsche waschen, Bügeln...alles Arbeiten, die eben auch getan werden müssen. Das ich mich nun auch daheim als die perfekte Hausfrau fühle, versteht sich wohl von selbst.

>Eine Lebenserfahrung

Doch am Wichtigesten von all den Erfahrungen die ich gesammelt habe, ist wohl die Erkenntnis, wie willkommen und unersetzlich Freunde sind. Vielleicht hatte ich einfach Glück, gerade diesem Apartment, Palmetto 302, zugeteilt zu werden. Denn meine Mitbewohnerinnen haben mir wohl am meisten das Gefühl gegeben, mich in Amerika wohl zu fühlen. Heute frage ich mich, was ich gemacht hätte, wenn ich mit ihnen nicht ausgekommen wäre, wenn wir uns einfach nicht verstanden hätten. Doch es ist eine Frage, die wohl überflüssig erscheint. Wann immer ich sie brauchte, sie waren für mich da. Und umgekehrt, ich war auch für sie da. Wir haben uns ergänzt und so viel Spaß gehabt, dass es unbeschreiblich ist oder gar unendlich lange dauern würde, um auch nur einen kleinen Teil davon wiederzugeben. Gar nicht auszudenken, einen Amerikaaufenthalt ohne Laura, meine Mitbewohnerin, die ein Auto hatte und uns ja fast täglich zu Walmarkt fuhr, damit wir in aller Ruhe einkaufen konnten. Oder um ins Kino zu kommen. Oder shoppen zu fahren. Oder an den Strand. Oder...oder...oder...

Ebenso gar nicht auszudenken, ein Apartment ohne Elisha, die mir wohl am meisten ans Herz gewachsen ist. Jeden Morgen sind wir zusammen zu den Vorlesungen gegangen (na den Weg haben wir gemeinsam zurückgelegt), wir wurden beide zusammen aus „Study Hall“ geschmissen, weil wir zu viel und zu laut gelacht haben; ihr habe ich es zu verdanken, dass ich eine richtig amerikanische Familie erleben durfte und sie zeigte mir New York und Philadelphia. Sie war diejenige, die mir Amerika zeigte, die Kultur beibrachte und mein Herz damit erfüllt, dass ich Amerika lieben gelernt habe.

Zu guter Letzt, trotz einiger mysteriöser Angewohnheiten, unsere WG wäre nicht vollständig, wenn Sylvia nicht da gewesen wäre. Sie ist wohl die merkwürdigste Person, die ich je kennen gelernt habe, aber auch sie zeigte mir Einblicke in eine ganz andere Welt.

Ich könnte ewig weiterschwärmen und würde es auch zu gerne machen. Doch ich setze nun ein Ende an diesen Bericht. Ich möchte nun Leute dazu ermutigen, dass wenn einem diese Chance, ins Ausland zu gehen, geboten wird, man sie auch nutzen sollte. Es sind Erfahrungen, die man sein Leben lang gebrauchen kann und sein Leben lang davon erzählen wird. Auch wenn die ersten Tage in einem fremden Land nicht die einfachsten sind, so gewöhnt man sich doch schneller an alles, als man denkt.

Es war wohl wirklich die wichtigste Zeit in meinem Leben. Acht Monate, die mir keiner mehr nehmen kann. Acht Monate, die mein Leben entschieden positiv prägten. Acht Monate, die mir zeigten, wie wichtig und unvorstellbar schön es ist, andere Seiten dieser großen weiten Welt kennen zu lernen!

  „...Life is too short for drama and petty problems. So kiss slowly, laugh insanely, love truly, and forgive quickly. Don’t be anything but happy! Take chances and have no regrets!”  

 

Christina Mohr (20.-23.06.2005)