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Ruben Schwarz: "Danke, einfach nur Danke!"

 

"Wir Hindernisläufer waren am letzen Tag der Junioreneuropameisterschaften dran. Die meisten hatten alles erfolgreich hinter sich gebracht und wir saßen  immer noch auf unseren Zimmern und lagen die Nächte wach im Bett. Ich glaube ich hab noch nie weniger geschlafen wie vor diesen Meisterschaften. Alles war so greifbar nahe und irgendwie doch noch so weit weg. Die Wartezeit ist die schlimmste Zeit überhaupt.
Als es endlich soweit war, war ich eher froh als angespannt. Ich bin mit den anderen Läufern so ca. drei Stunden vor dem Start ins Stadion gefahren. Je mehr wir uns näherten desto mulmiger wurde mir. Als es Zeit war ging ich mit Eckardt, meinem Trainer, zum Einlaufen. In diesem Moment hört man ganz besonders tief in sich hinein und checkt noch mal alles durch. Ich fühlte mich locker, wusste aber nicht ob das reicht. Als das ganze Programm dann zu Ende war ging es in den Call-Room, Auge in Auge mit den Gegnern. Meine Mutter kam um mir Glück zu wünschen, doch ich konnte nicht mehr sprechen. Es folgte der Weg ins Stadion, wo in dem Moment  die Deutsche Nationalhymne lief - ich wäre am liebsten abgehauen.
Dann ging's aber endlich an die Startlinie - ich schrie in mich hinein: "Hau rein Junge, man, du kannst das. Zeig was du drauf hast!" - Schuss. Alle rannten los. Ich erwischte einen super Start und konnte als erster übers Hindernis gehen. Die anderen ordneten sich hinter mir ein, so nach dem Motto: Lass den Deutschen doch mal Tempo machen, am Ende kann er eh nicht mehr. So musste ich sieben Runden an der Spitze laufen, keiner fühlte sich für das Tempo zuständig. Glücklicherweise wurden wir immer weniger, einer nach dem anderen fiel ab und die letzten zwei Runde waren wir nur noch zu zweit. In diesem Moment schießt einem so viel durch den Kopf, ich wusste aber, dass ich noch mehr konnte und zog an. Wird das reichen? Der Rumäne fiel immer mehr und mehr zurück. Dann hörte ich die Stadionsprecherin: "20 meters lead now befor the last lap, for Germans's Ruben Schwarz." Ich wollte es noch nicht wahr haben und gab noch mal alles. Erst auf der Ziellinie konnte ich mich freuen. Ich fiel fassungslos zu Boden, wollte schreien, weinen, einfach nur den Moment genießen. Als ich dann meine Mam im Zielbereich sah kamen mir die Tränen, es war so unbeschreiblich. Ich fiel ihr um den Hals, dann meinem Dad, Birgit, dann Eckardt - der hatte auch nasse Augen. Der arme Winni musste filmen und konnte nicht zu mir kommen. Bei der Siegerehrung kam dann noch mal alles hoch: der Lauf, die harte Arbeit, die Leute die dahinter stecken. Ich musste noch mal tief schlucken."


Die U20 Europameisterschaften im finnischen Tampere waren die zweiten internationale Meisterschaft für Ruben Schwarz aus Tettnang. Für ihn ein Moment, der ohne Zweifel als der Hochpunkt seiner bisherigen Karriere angesehen werden kann. Allerdings auch ein Moment der als Folge eines gezielten Aufbaus gelten kann, ein Moment, der sein Ursprung schon weit früher hatte. 

>Erste Schritte...

"Eigentlich bin ich durch meine Eltern zum Laufen gekommen. Komm, mach mal so einen Lauf mit, sagten sie mir damals." Das war mit sechs Jahren und es war der erste Schritt in eine vielversprechende Zukunft. "Ok, davor bin ich bei meiner Oma ums Haus gerannt, die musste dann immer stoppen, aber das erste Rennen war mit sechs." Wenn Ruben Schwarz das erzählt sprudelt es aus ihm raus.  Er freut sich, spricht immer wieder von Spaß, von Freude, von tolle Zeit. Alles so als sei es gestern gewesen, als erzähle er daheim, was er gestern erlebt hat. Man merkt schnell, dass dieser Ruben Schwarz eine Person ist, die ihre Wurzel immer bei sich trägt.    "Und weil's so Spaß gemacht hat bin ich gleich in Ravensburg meinen zweiten Wettkampf gerannt. Dort wurde ich bei den zwei Jahre älteren Dritter." 

Der Schritt in einen Leichtathletikverein war nur noch die logische Konsequenz. Beim SC Bügermos machte der 7-jährige von Sprung über Wurf und Lauf alles durch, folgte dem klassischen Grundlagenprinzip. Ein Jahr zuvor hatte er zudem einmal wöchentlich mit Handball begonnen. Die Leichtathletik lief nebenher und schnell zeigte sich: " Im Laufen war ich immer am weitesten vorne." Mit acht wechselte Ruben Schwarz den Verein "Das ist mir zu viel Kindergarten hier." dachte er sich und war nun für den TSV Tettnang am Start. Das Training umfasste nun auch den ein oder anderen Dauerlauf, doch es zeigte sich: "Dauerläufe waren nichts für mich, schon nach 30 Minuten war ich immer fix und fertig." Trotzdem, Ruben Schwarz lief mit dreizehn 2:58 Minuten über 1000m. Ins Handball ging es jetzt zwei Mal die Woche. Ruben Schwarz liebte den Mannschaftssport, liebte das Wir-Gefühl eines Teams. "Es war alle super, das war eine richtig tolle Zeit." sagt er immer wieder und man kann sich vorstellen, wie es damals war. .

>Neue Trainer - neue Ziele

Im Alter von 14 wurde auch  der Verband auf ihn aufmerksam. "Ich wurde zu einem Sichtungslehrgang eingeladen und anschließend in den F-Kader berufen. Da war ich natürlich wahnsinnig stolz." freut er sich. Nun war klar, dass Sprung und Wurf bei Ruben Schwarz keine Zukunft hatten. Jetzt sollte das Training geändert werden, sollte es spezifischer werden. Im Oktober 1999 schaute sich Rubens Vater nach einem geeigneten Trainer um. Er hörte den Namen Sperlich - ein Trainergespann, dass mit dem ehemaligen Hindernisläufer Steffen Brandt schon große internationale Erfolge feiern durfte - recherchierte weiter, stellte den Kontakt her und schnell war klar, dass dieses Gespann zusammenpasste. "Nach einer Zusage ihrerseits kam es zu einem Treffen und das hat sich alles sehr professionell angehört, so dass ich mich für sie entschieden hab."  sagt Ruben Schwarz heute über den Anfang mit seinen Trainern Birgit und Eckardt Sperlich. Ein Glücksfall, wie Ruben Schwarz immer wieder betont. Mit 15 lief er 9:24 Minuten über 3000m.

Das Training des nun 16-jährigen Württembergers wurde intensiviert: 4 Mal Leichtathletik und 2 Mal Handball die Woche.  Das Handball wollte er nicht aufgeben, doch als er sich beim Aufwärmen beide Bänder riss, führte kein Weg mehr zurück zum Handball. "Das war eine riesen Zeit, weil es einfach ein Mannschaftssport ist. Man gewinnt zusammen, verliert aber auch zusammen. Das find ich klasse, daher lauf ich auch so gerne Staffel." Von nun an konzentrierte sich der Tettnanger voll und ganz auf das Laufen. "Damals  gab es nur ein Ziel für mich: Ich wollte Baden-Württembergischer Meister werden." Und genau das zeichnet ihn aus. Ruben Schwarz setzt sich erreichbare Ziele, setzt sich Ziele die aufeinander aufbauen. Für diese bringt er Opfer, für diese stellt er andere Dinge weit in den Hintergrund.  

Unter neuen Trainern lief Ruben Schwarz mit 16 Jahren etwa 60 Kilometer im Schnitt. Verteilt auf 4 bis 5 Einheiten. "Schon damals legten wir viel Wert auf GA2 Läufe und weniger auf irgendwelche Tempoprogramme. Hinzu kam einmal Sprint und Koordination und etwas Krafttraining." Das Training fruchtete schnell. In der Halle rannte der Gymnasiast bei den Landesmeisterschaften in 4:16 Minuten zu Silber. "Nach einem Blick in die Bestenliste sah das gar nicht so schlecht aus. Nach der Halle wollte ich dann endlich den BaWü-Titel." Und es  sollte so kommen: In 4:11,85 Minuten gewann er in Kehl seinen ersten Landestitel. Ein Erfolg, aus dem er auch noch in der anschließenden Crosssaison Kraft zog.

>Deutsche Crossmeisterschaften

Im Oktober 2000 folgten die Deutschen Crossmeisterschaften in Wetter: "Mein Ziel war es unter die ersten 50 zu kommen und dann, dann lief ich da als 6. ein. Ich war hin und weg." Von da an war klar, dass der junge Läufer auch in Deutschland die Konkurrenz nicht scheuen musste. "Bei den nächsten Deutschen in Regensburg wollte ich dann aufs Treppchen." Doch es kam anders: Teilweise hatte er mehrere Meter Vorsprung und lief dem Feld weit voraus, doch am Ende machte ihm der tiefe Matsch zu schaffen. Als 8. war der Traum von einer Medaille bei den Deutschen erst mal geplatzt. "Das ist egal, was zählt ist der Sommer." sagte er sich damals. Und es wurde ein Sommer, der erstmals erahnen ließ, dass es noch viel weiter hinaus gehen sollte, dass dieser 8. Platz mehr durch mangelnde Erfahrung als durch mangelndes Talent kam. Mit 70 bis 80 Kilometer verteilt auf 6 bis 7 Einheiten lief er 1:55 Minuten übe 800m, 8:45 Minuten  über die 3000m und schaffte bei den Deutschen Jugendmeisterschaften mit Bronze endlich den Sprung aufs Treppchen. 3:56 Minuten im Vorlauf bedeuteten Bestzeit. "Da hab ich schon mit der U18 WM geliebäugelt, doch das hab' ich dann leider nicht geschafft." 

"Alles, alles hab' ich bisher alleine trainiert." antwortet er auf die Frage nach einer Trainingsgruppe. "Ich war auch nie der Typ, der es sich im Training beweißen musste. Vielmehr hab' ich mich immer auf die Wettkämpfe gefreut. Wenn die anderen immer angespannt waren freute ich mich, dass ich endlich mit anderen zusammen laufen konnte." Ja, dieses Zusammensein, die Gruppe, die Gemeinschaft. Danach hat Ruben Schwarz gestrebt. Ruben Schwarz wollte nicht hinnehmen, dass Laufen eine Einzelsportart ist. dafür wechselte er Ende 2000 von der LG Östlicher Bodenseekreis, für die er mittlerweile gestartet war, zur LSG Aalen. "Ich wollte dort die Mannschaft verstärken, Mannschaft ist einfach genial." Zu Trainingslagern geht er nur mit dem DLV. "Ich will mich voll auf's Laufen konzentrieren und das kann ich am Besten mit dem DLV."

Ein Jahr später, im ersten Jahr als A-jugendlicher, war das Ziel die U20 Weltmeisterschaft in Jamaika. Der Kilometerschnitt stieg auf 90, verteilt auf 7 bis 8 Einheiten. Der Grundsein sollte in einer Crosssaison gelegt werden. "Wir machen entweder Cross oder Halle, beides halten wir für Unsinn." Nach einigen regionale Crossrennen ging es wieder nach Regensburg zu den Deutschen Crossmeisterschaften. "Schon den ganzen Winter hatte ich mich nicht wohl gefühlt, da mir die vielen Kilometer schon zu schaffen machten." Als Achter beendete er das Rennen, hackte es ab und schaute nach vorne, denn er wusste, dass er mehr drauf hatte. Das mussten die Fachleute dann spätestens beim Saisonauftakt in Pliezhausen feststellen: Mit 8:23 Minuten pulverisierte er seine Bestzeit über 3000m um 22 Sekunden und setzte eine Marke die in diesem Jahr kein gleichaltriger mehr unterbieten sollte. Die ersten Rennen über 3000m Hindernis konnten kommen. "Ach ja, wie ich eigentlich zur Hindernisstrecke gekommen bin: Vor den Süddeutschen Meisterschaften der B-Jugend haben wir einfach beschlossen, dass wir das ausprobieren. Hin und wieder bin ich dann über Hürden und erst eine Woche vor den Meisterschaften haben wir speziell trainiert." Mit 5:54 Minuten sprang Ruben Schwarz auf Platz eins der Deutschen Bestenliste. So schlecht konnte ich da ja dann nicht sein." 

>Der Weg nach Jamaika

Die Jagd nach der Quali von 8:58 Minuten konnte beginnen. "In Cottbus ging es los. Dort hab' ich Norbert (Löwa) die ganze Zeit Tempo machen lassen, war mit 9:02 Minuten am Ende aber enttäuscht, denn ich dachte, dass ich mehr drauf hab." Mit einem Sieg bei den Landesmeisterschaften über 1500m tankte Ruben Schwarz wieder  Selbstvertrauen. Selbstvertrauen, dass beim Start in Mannheim, der letzten Chance für die WM, wie verflogen schien. "Ich war richtig aufgeregt, alle waren da." Es sollte kein gewöhnliches Rennen werden. "Nach 600m stolperte ich an einem Hindernis und lag voll auf der Fresse. Da dachte ich an Gott und fragte: Warum jetzt, warum gerade jetzt? Ich bin aufgestanden und innerhalb von zwei Runden wieder rangelaufen, dabei hab' ich mich auch richtig gut gefühlt. Als es in die Schlussphase ging schwanden die Kräfte immer mehr und Zack, da lag ich wieder auf dem Boden. Danach bin ich nur noch gerannt was das Zeug hält." Nach 8:56 Minuten und mit zwei dicken Knien war Ruben Schwarz überglücklich im Ziel. "Ich hab mich riesig gefreut, doch gehen konnte ich danach nicht mehr." Ein Arzt musste her. "Der wollte mir Krücken verschreiben, da war ich richtig fertig. Was ich hören wollte war, dass ich wieder joggen kann." Ruben Schwarz ging nach Freiburg, dort sagte man ihm, dass es halb so schlimm war. Nach einer Woche waren die Knie wieder abgeschwollen. Gerade rechtzeitig zu den Deutschen Jugendmeisterschaften. "Da hatte ich ziemlich Schiss vor den Hindernissen und bin richtig hoch drüber." Ruben Schwarz wollte trotzdem den Titel, doch an diesem Tag führte kein Weg an Christian Klein vorbei und auch Norbert Löwa lag am Ende wenige Zentimeter vor ihm. "Da war ich schon enttäuscht, aber als sie mir sagten, dass ich in Jamaika dabei bin, war alles vergessen. Noch am Abend durfte ich mir die Deutschland-Sachen abholen, ich war wahnsinnig stolz. Sogar zum Schlafen hatte ich die Sachen an."

>U20 WM in Jamaika

"Jamaika war vor allem eins: richtig heiß. Daher mussten wir schon morgens um 5 Uhr trainieren. Härtere Einheiten dann erst wieder abends. Hinzu kam, dass die Ventilatoren eigentlich für 230 Volt ausgelegt waren, dort gab es aber nur 110, womit das alles ein bisschen langsamer lief." Es waren die ersten internationalen Meisterschaften für Ruben Schwarz, was wie für so viele gleichzeitig eine unverzichtbare Erfahrung für kommende Aufgaben bedeutete. "Ich hab' mit einem Katarie gesprochen, hab' die Kenianer gesehen, das war wirklich was besonderes." sagt er und fährt fort, "Als es ins Stadion ging hab' ich mir fast in die Hosen gemacht. Keiner spricht die Sprache des anderen, das war eine richtig krasse Stimmung." Ruben Schwarz spricht von Leichtathletikbegeisterung, von Stimmung und man fühlt sich einem Menschen gegenüber, der das alles nicht nur gesehen hat, nein:  einem der das alles mitgelebt hat. "Ich fühlte mich ganz klein und verloren in diesem riesen Stadion, wollte nur noch umdrehen. Doch als der Startschuss fiel, war alles vergessen. Ich sagte mir immer: Vorne dranbleiben!" Dies befolgte Ruben Schwarz, doch bereits nach 600m wurde seine Motivation etwas gedämpft:  "Das Tempo war schon ganz schön hoch und dann joggt da mal so lässig dieser Kenianer vorbei. Trotzdem hab ich versucht mitzugehen, doch nach 2000m war ich platt. Ich rettete mich mit 9:01 Minuten ins Ziel, 8:57 hätten für's Finale gereicht." gibt er etwas enttäuscht Einblicke in das Rennen. "Im Hinblick auf Tampere hat mir das enorm viel gebracht. Ich hab einfach gelernt mit dem ganzen umzugehen." Die restlichen Rennen der Saison gingen alle in die Hose, die Luft war raus.

>Die Saisonvorbereitung 2003

Es folgte das Jahr 2003, das Jahr der U20 Europameisterschaften in Tampere, das Jahr, das Ruben Schwarz ganz nach oben katapultieren sollte. "Das Ziel, das wir uns immer vor der Saison stecken hieß ganz klar: unter die ersten Sechs bei der U20 EM. Und dafür musste ich einsenhart trainieren." 110km lief Ruben Schwarz in der Vorbereitung im Schnitt. Unter anderem zusammengesetzt aus einem langen Dauerlauf, zwei GA2 Läufen, einer Bahneinheit, einer Einheit mit Bergläufen und einem Sprint und Kraftprogramm. Ein Bergprogramm in der Vorbereitung sah zum Beispiel wie folgt aus:  3x4x550m bei einer Steigung von bis zu 12%. "Brutal sind die Koordinationsprogramme: Da heißt es ein paar 50m Bahnen Koordination am Anschlag und anschließend noch 4 Antritte, ohne Pause versteht sich. Anschließend das ganze noch ein zweites und drittes Mal. Danach bist du richtig fertig. Aber ich denke das macht hart, ebenso wie die GA2 Läufe auf einer Bergrunde." Ruben Schwarz zeigt, dass der Erfolg nicht von alleine kommt. "Wir gehen eigentlich schon ab Oktober auf die Bahn und machen dort zum Beispiel ein Programm wie 2000m/3000m/2000m/3000m oder 4x2000m in einem Kilometerschnitt von 3:20 bis 3:25 Minuten. Die meisten Läufe schon über Hürden."  In einem nächsten Schritt ab März werden die Tempoläufe kürzer, dafür aber etwas schneller: 3x4x400m Hürden von 67 Sekunden auf 59 Sekunden gesteigert. Das ganze mit 90 Sekunden Trabpause. Ausgefüllt wird die Woche zusätzlich mit GA1 Dauerläufen die sich im Bereich 4:00 bis 4:10 Minuten pro Kilometer bewegen. Jedes Tempo wird anhand der Leistungsdiagnostik, die drei Mal im Jahr gemacht wird festgelegt. "In Leipzig, das ist nicht zum Lachen." wissen auch aufmerksame Leser des Steffen Uliczka Portraits. All das Training lief neben der Schule und das bedeutete vor allem eins: Opfer bringen.  "Vor der Schule raus und eine kleine Runde laufen war nicht selten der Fall. Ich hab' in dieser Zeit auf so ziemlich alles verzichtet. Wenn andere am Wochenende weg gingen war ich um zehn im Bett." Hinzu kam noch, dass Ruben Schwarz in jenem Jahr sein Abitur schrieb. Auch wenn die Schule ihn voll unterstützte, musste Ruben Schwarz ranklotzen, denn ein Ziel verliert Ruben Schwarz nie aus den Augen.

Der Saisoneinstieg erfolgte bei den baden-württembergischen Crosslaufmeisterschaften in Waiblingen. Mit großem Vorsprung dominierte Ruben Schwarz das Rennen, doch selber war er ganz und gar nicht zufrieden. Dennoch, auch die U20 Weltmeisterschaft im Cross war ein Thema. "Ich lief in Luxemburg einen Cross wo einige europäische Top-Leute am Start waren und gewann diesen mit großem Vorsprung. Das lief super, weil der Untergrund hart war und es kein Matsch gab." Wenn es jetzt noch bei den Deutschen Meisterschaften in Bad Dürrheim gut lief war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er wieder international dabei war. "Das war ein Matschstrecke, da ging gar nichts." Ruben Schwarz wurde enttäuscht Fünfter. "Da dachte ich: jetzt kann ich alles stecken." Doch der Sommer zählt, nur der Sommer zählt.

"Wir wollten uns den 3000m Hindernis von unten nähern, was sehr viele kritisiert hatten." Mit 1:53 Minuten über 800m ging es los. "Da war ich nicht zufrieden, gerne wäre ich so 1:51,5 Minuten gerannt." Beim Rehlinger Pfingstsportfest steigerte er sich auf 1:52,1 Minuten. "Ich versteh gar nicht wie man 800m laufen kann, dieses schnelle angehen mag ich gar nicht." sagt er und lacht dabei. Es folgte Kassel. "Der Bundestrainer steckte mich in den A-Lauf, was nicht wenigen sauer aufstieß. Wieso ist der, mit einer Bestzeit von 3:56 Minuten im A-Lauf?" Doch diese Stimmen sollten schnell verstummen. "Die 1000m bin ich in 2:30 locker mitgerollt, da hab' ich mich so locker gefühlt und gedacht: heute wird's richtig geil!" 3:44 Minuten standen am Ende auf der Uhr, eine Zeit die nur ein Jugendlicher in Deutschland noch unterbieten sollte. "Dann wollte ich endlich auch über 3000m Hindernis ran." Wieder in Mannheim rannte Ruben Schwarz in 8:49 Minuten allen davon. "Da war die Welt komplett wieder in Ordnung." Jetzt trennten ihn nur noch die Deutschen Jugendmeisterschaften in Fulda von Tampere. 

"Ich hatte so im Gefühl, dass es besser wäre, wenn wir nicht in Fulda übernachten. Also fuhren wir am Wettkampftag 4 Stunden mit dem Auto hin." Eine Zeit von 5:35 Minuten hatte sich Ruben Schwarz vorgenommen, eine Zeit unter dem württembergischen Rekord. "Man hat meist mehr Schiss, wenn man weiß, dass was geht - ich hatte großen Schiss." Gleich von Beginn an setzte sich der Mann der LSG Aalen an die Spitze. "Das mach' ich gern, da hat man auch weniger Probleme am Hindernis." Keiner konnte folgen, Ruben Schwarz lief mit 5:35 Minuten eine Zeit, die nur sehr wenige in diesem Alter erzielt haben. "Endlich war ich Deutscher Meister, das war wie ein Traum, das war unglaublich." Ruben Schwarz war in Tampere dabei, Ruben Schwarz bekam nach den Deutschen Meisterschaften einen Ausrüstervertrag von Nike.

Beim Abschlusstraining vier Tage vor dem Endlauf in Tampere war schon abzusehen wie stark Ruben Schwarz in diesem Moment war. 10 Mal 400m Hürden in 68 bis 62 Sekunden. Doch damit nicht genug: Zweit Tage vor dem Wettkampf ein Fahrtspiel mit 4 mal 6 Minuten Belastung und drei Minuten Erholung. Der Kilometerschnitt musste so bei 3:15 bis 3:10 Minuten gelegen haben. "Dieses Fahrtspiel mache ich immer zwei Tage vor einem Wettkampf um die Kohlenhydratspeicher leer zu räumen. Danach werden sie dann wieder aufgetankt." sagt er und erzählt weiter. " Am Tag vor dem Wettkampf war alles ganz locker. nur noch einlaufen, Steigerungen und einen 400m Hürdenlauf in 68 Sekunden. Ganz locker, um einfach noch mal ein Gefühl für den Wettkampf zu bekommen." Solch eine Vorbereitung erfordert eine enorme Grundlage. Eine Grundlage die bei Ruben Schwarz über Jahre hinweg aufgebaut wurde.

>Nach der Europameisterschaft

"Nach der EM kamen sie natürlich alle. In meiner Stadt Tettnang gab es sogar einen Empfang auf dem Rathausplatz mit Freibier (Tettnang ist eine Hopfenstadt mit eigenem Bier. Daher Bier statt Sekt) Da kamen dann so ca. 150-250 Leute was echt genial war. In Aalen gab's  noch einen kleineren Empfang im Rathaus. Und auch Sponsoren meldeten sich. Neben Nike und der Sporthilfe kam noch das Kärcher- Team hinzu. "Wenn du Europameister wirst, bekommst du ein Auto" hatte LSG Vorsitzende Hilde Saup ein Jahr zuvor noch gesagt. Nun besaß Ruben Schwarz eines.

>Neuseeland, Australien...

Nach dieser unglaublichen Saison zog es Ruben Schwarz nach Neuseeland. "Ich wollte einfach mal raus und was ich mir in den Kopf gesetzt hab' will ich auch durchziehen." In Christchurch lebte er bei einer Gastfamilie und arbeitete nebenher in einer Baumschule, "Das war nicht so toll, aber weil die Leute so nett waren hab' ich geholfen. Und auch mit der Gastfamilie lief es nicht ganz wie gewünscht. "Die haben kein Interesse an mir gehabt, haben sogar das Essen vor mir versteckt und nur noch rationierte Portionen rausgegeben." Ruben Schwarz wechselte die Familie und hatte Glück. "Das war richtig klasse, ich war wie ein richtiges Familienmitglied." Ruben Schwarz braucht ein Umfeld, in dem er sich 100 Prozent wohl fühlt. Das war früher genauso wie heute.
Ruben Schwarz kann sehr viel erzählen, man hört ihm gerne zu. "Ich hab' mich da am Meer gedehnt als auf einmal 2 Männer auf mich zukamen, sie mussten so um die 30 gewesen sein. Ganz verwundert schaute ich die beiden an und bekam es schon mit der Angst zu tun. Dann machten sie mich auf ein Schild aufmerksam und ich wusste was los war. Auf dem Schild stand "Schwulentreffpunkt". Oh, das ist nichts für mich und weg war ich." Nach 3 Monaten in Neuseeland ging  Ruben Schwarz die selbe Zeit dem Reisen nach. "In Australien traf ich einen Kumpel der dort Zivi machte. Mit dem bin ich  durch das Land gereist. Wir haben so viel gesehen: Dingos, überfahrene Kängurus, waren tauchen, das war insgesamt voll krass, ich hab' so viel gesehen und erlebt." Und Ruben Schwarz könnte Stunden weiter erzählen - "da könnte man wahrscheinlich einen eigenen Bericht drüber schreiben" -  könnte jeden überzeugen auch einmal nach Australien zu gehen, denn Ruben Schwarz ist ein Meister der Erzählkunst.  

>Die ersten Probleme

"Schon in Neuseeland hab' ich mich richtig schlapp gefühlt, war fix und fertig." Ein Bluttest daheim gab Aufschluss: Pfeiffersches Drüsenfieber. Als dieses auskuriert war stieg Ruben Schwarz schnell wieder ins Training ein. Schon im Ostertrainingslager nach seiner Rückkehr waren es in 2 Wochen wieder 270km. Es folgten Achillessehnenschmerzen, die Ruben Schwarz mit Voltaren und anderen Schmerzmittel nicht wahrhaben wollte. Erste Bahnwettkämpe mit 1:57 Minuten über 800m und 3:54 Minuten über 1500m stellten ihn nicht zufrieden, doch Ruben Schwarz lief trotz Schmerzen weiter bis er sich sagte: "So kann das nicht weitergehen." Wieder ging es nach Freiburg: "Die sagten mir, dass da noch was von dem Drüsenfieber in mir steckt. Doch die Deutschen Staffelmeisterschaften wollte ich noch laufen. Meine Leute wollte ich nicht im Stich lassen." Ruben Schwarz nahm immer mehr Schmerzmittel, ließ sich Spritzen, bis er an einem Punkt angelangt war, wo nichts mehr ging. In Freiburg war die Diagnose schnell klar. "Meine Achillessehne sei zu 80% durch, das war erst mal ein Schock. Sie schickten  mich zu einem Achillesehnen-Guru nach Essen. Im Oktober wurde ich operiert und im November 2004 durfte ich mit einem Spezialstiefel schon wieder Radfahren. Erst 100 Watt, dann 200, 300 und so weiter." Ruben Schwarz trainierte nun fast so viel wie noch nie, nur laufen durfte er nicht: 2 bis 3 Mal Schwimmen, 3 Mal Rad und 2 Mal Kräftigung umschrieb sein Wochenplan.

"Das erste Mal gelaufen bin ich am 27.12. 2004, das war ein super Gefühl. Auch wenn es immer nur eine Minute war, es war so befreiend." Das sportliche Tal war für Ruben Schwarz erst mal durchschritten, doch es tat sich ein anderes auf: Seine Stimme wirkt traurig, enttäuscht, wenn er von seiner verzweifelten Suche nach einem Studienplatz erzählt. "Eigentlich hatte mir der DLV versichert, dass ich in Ulm einen Studienplatz in Medizin bekomme. Doch die ZVS ist unumgänglich, so dass ich im Oktober 2004 meine erste Absage bekam. Rumsitzen und warten wollte ich nicht, also machte ich  von November 2004 bis Februar 2005 eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Anschließend hängte ich ein Praktikum in einer Rettungswache dran. Da hatte ich ziemlich viel zu tun, musste teilweise 8 Stunden im OP stehen, was natürlich sehr interessant aber auch sehr anstrengend war." Bei 12 Stunden Schichten war für Ruben Schwarz so gut wie kein Platz zum Trainieren - egal: Ruben Schwarz will Arzt werden. Im Ostertrainingslager lief er 68km die Woche, musste aber noch immer mit Schmerzen kämpfen. "Zum Sommersemester 2005 hab ich dann auch wieder keinen Platz  bekommen, also ging ich nach Köln zu einem Vorbereitungssemester, das 3 Monate ging." In dieser Zeit trainierte Ruben Schwarz bei Henning von Papen, sein Ziel waren die Deutschen Juniorenmeisterschaften in Rostock. Und mit 3:56 Minuten hatte er die Quali über 1500m auch schnell in der Tasche. "Fünf Wochen vor der DM bin ich von einem Auto angefahren worden, hinzu kam noch eine Magen-Darm-Grippe." Ohne sonderlich gute Grundlage ging es nach Rostock. "Dort bin ich als 8.  in den Endlauf gekommen, da hatte ich großes Glück." Ruben Schwarz befand sich etwa auf seinem B-Jugend Niveau. Nach einer Saisonpause, die in der Regel durch alternative Sportarten gekennzeichnet ist, ging es für Ruben Schwarz Anfang Oktober 2005 zum DLV Lehrgang nach Saarbrücken. "Diese Saison will ich wieder richtig angreifen, meinen Umfang auf 90 bis 100km steigern."

>Studium

Und dann ist da immer noch die Sache mit dem Studium, eine Geschichte die nicht nur Ruben Schwarz betrifft. "Es kam von überall Zuspruch, aber machen konnte keiner was. Sogar die Laufbahnberater vom Olympiastützpunkt in Stuttgart sagten, dass Ulm zu weit weg sei, so dass sie da nicht weiterhelfen können. Das ist ein Witz, ein Armutszeugnis. Der einzige der sich richtig reingehängt hat war Herr Chournard. Ich warte ja immer noch, hab' am 1. Oktober mal wieder ne Absage von Ulm, Bochum und Essen-Duisburg bekommen. Jetzt hilft vielleicht nur noch das Losverfahren." macht Ruben Schwarz seiner Enttäuschung Luft. "Meine Abi wurde auch nicht aufgewertet, weil ich mich richtig reingehängt hab'. Eine Aufwertung bekommst du ja nur, wenn ersichtlich ist, dass du durch den Leistungssport schlechter geworden bist. Hätte ich die Schule schleifen lassen, hätte ich jetzt vielleicht ein besseres Abi." Ruben Schwarz sucht verzweifelt nach dem Sinn dieses Systems, nach dem Lohn für seine großen Erfolge, dem Lohn für seine Aufopferung. Wie soll sich diese Aufopferung da noch lohnen? "Wer mir immer zur Seite stand waren auf jeden Fall die Vorsitzenden der LSG Aalen: Hilde Saup und Pit Seidel und dann, was mich sehr gefreut hat, Werner Klein, der an mich glaubt und mich noch mal für ein Jahr in den B-Kader berufen hat." 

Man merkt schnell, dass Ruben Schwarz ein Mensch ist, der von und durch Emotionen lebt. Einer der in seinem Leben genug erfahren durfte, genug erlebt hat um  sich ein Bild zu malen in dem er schnell sieht wer es wirklich ehrlich meint: "Bei den Sportlern hab' ich gemerkt, dass mir manche eben nicht mehr zutrauen wieder hoch zu kommen auch wenn das nie ausgesprochen wurde: Manche kennen mich auch auf einmal nicht mehr, aber die geh'n mir dann am A... vorbei!" Ruben Schwarz braucht ehrliche Menschen, braucht Geborgenheit, braucht das Gefühl daheim zu sein. Daher betont er immer wieder  "den tollen Zusammenhalt unter uns Läufern." spricht er von einer besonderen Kameradschaft zu "Christian Klein, Norbert Löwa, Steffen Uliczka und Christian Atz." Dann wird dem Außenstehenden schnell klar, dass Ruben Schwarz ohne diese Freundschaften vielleicht längst nicht mehr die Laufschuhe schnüren würde. 

>"Danke, einfach nur Danke!"

Ruben Schwarz ist einer, der Sympathie verbreitet, einer der als Mensch ebenso, wie als Sportler oftmals ganz nah am Abgrund stand, einer der psychisch zwischen Berg und Tal  schwankt, einer der ganz offen das verbreitet, was er ist, der ganz offen verbreitet wie er ist. Und so passt es ins Bild, wenn Ruben Schwarz ein paar Menschen noch ganz besonders danken will: 

"Meine Familie stand immer hinter mir und hat mich oft auf die richtigen Wege geleitet (nicht nur sportlich). Mein Vater ist richtig sportbegeistert, unterstützt mich in vielem und achtet darauf, dass ich nicht zu viel feiern gehe. Meine Mutter und Schwester sind sind mit die emotional intelligentesten Menschen die ich kenne, sie sind bei Beziehungsfragen da. Mein Bruder ist erst 12 Jahre aber mit ihm kann ich noch mal richtig Kind sein, allen Scheiß machen. Kurzum ich liebe meine Familie. Sie standen mir sportlich nie im Weg, auch wenn es manchmal Probleme mit der Schule gab, sah ich wohl den Zeigefinger aber dann wusste ich auch selbst was es zu tun gab.
Und Winni, mein Onkel, das ist mein größter Fan  und eigentlich auf jedem Wettkampf mit dabei. Er filmt immer und hat sehr viel Spaß am Sport, den vielen jungen Leuten und natürlich mir zuzuschauen. Mit 60 ist er immer noch fit wie ein 40-jähriger. Er war sogar in Finnland mit dabei und fährt auch schon mal vom Bodensee nach Berlin um meinen Lauf zu filmen und ein bisschen Zeit mit mir dort zu verbringen, um dann, 2 Tage später, wieder heimfahren zu dürfen. Also saustark was er alles für mich macht." 

Dann ist Ruben Schwarz fertig mit erzählen, ist fertig als hätte er sein ganzes Leben soeben noch einmal durchlebt. Ruben Schwarz ist der Akteur einer Geschichte, wie sie der Sport nur ganz wenige schreibt. Ruben Schwarz zeigt, wie vielleicht keiner, dass Erfolg, Emotionen und Menschlichkeit ganz tief im Sport verwurzelt sind.

Stefan Faiß (17.-19.10.2005) | Kontakt |

 

>Ergänzung:

>Anmerkungen:

>Sponsoring:

Finanziell unterstützt wird Ruben Schwarz von der Deutschen Sporthilfe und seinem Verein, der LSG Aalen. Hinzu wird er seit den Deutschen Jugendmeisterschaften 2003 von Nike ausgerüstet.

 

>Bildquellen: