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Christian Glatting: "Eine 13er Zeit hat schon was!"

 

"Für den bevorstehenden Massenstart wurden die Nationen in, durch ein Metallgerüst voneinander getrennte, Startbereiche eingeteilt. Auf den ersten Blick müssen alle wie Rennpferde in ihren Startblöcken gewirkt haben. Wir stellten uns nach den Ergebnissen der Cross DM in Darmstadt auf. Da konnte ich mich kaum beklagen, da ich nach meinem Sieg in Darmstadt nun die optimale Ausgangsposition hatte um dem hohen Anfangstempo folgen zu können. Nun war es soweit : „On your marks“ – Schuss! Zunächst bemühte ich mich möglichst schnell wegzukommen um auch Johannes, Falko, Patrick, Christian, und Rico einen guten Start zu ermöglichen. Alle rannten über ihren Verhältnissen, um 200m nach dem Start in einer scharfen S-Kurve nicht den Anschluss zu verlieren. Obwohl die Strecke beim Einlaufen noch einfach wirkte, musste ich während dem Rennen schnell feststellen, dass eine Vielzahl von Matschpassagen, Gräben, und kleinen Hügeln, die ansonsten flache Grasstrecke sehr anspruchsvoll werden lies. Bei vier Runden und etwa 6,5 km galt es sich das Renntempo gut einzuteilen um nicht alle Kraftreserven auf den ersten Runden zu verschwenden. Leichter gesagt als getan! Als das Läuferfeld erst mal in Bewegung war und jeder um seine Position kämpfte, war es nahezu unmöglich zu taktieren. Es kam zum spannenden Duell zwischen mir und einem ukrainischen Läufer, welcher ständig von mir überholt wurde um dann, ganz plötzlich, wieder vor mir aufzutauchen. Nach einiger Zeit gelang es mir zu der etwa 20-köpfigen Führungsgruppe aufzuschließen, bevor eine Tempoverschärfung in der letzten Runde das Feld weiter auseinander sprengte. Noch zwei Kurven bis zur Schlussgeraden, das Ziel schien schon greifbar nahe, doch dann: Sturz! Meine Gedanken waren wohl schon auf den Schlussspurt gerichtet und jetzt musste ich aufgrund dieser kleinen Unaufmerksamkeit Illya Sukharyev, den ukrainischen Läufer, passieren lassen. Auf den letzten Metern mobilisierte ich nochmals alle Kräfte, überspurtete drei Konkurrenten und errang den 15.Platz. Mein persönliches Ziel unter den 20 Schnellsten anzukommen hatte ich erreicht, doch den Ukrainer hätte ich schon noch gerne eingeholt..."

Christian Glatting aus Aalen war mit Abstand bester deutscher Junior bei den Cross-Europameisterschaften 2005 im niederländischen Tilburg. Lediglich 20 Sekunden fehlten am Ende auf den Sieger.  Umso höher darf seine Leistung eingeordnet werden, denn für Christian Glatting war es der erste Start bei einer internationalen Meisterschaft. Doch auf dem Weg dorthin musste der junge Mann von der Ostalb auch große Rückschläge hinnehmen.  

> Der Weg zum Laufen

"In der Grundschule hab' ich zwei bis drei Jahre Fußball gespielt. Schon da bin ich viel rumgerannt, was mir auch richtig Spaß gemacht hat." So führte der Weg des Christian Glatting direkt zum Laufsport. Das war 1996 im Alter von neun Jahren. "In Unterkochen hab ich da bei einem Ortslauf mitgemacht und bin über die 5km gleich erster geworden. Das hat mich total gewundert." Weitere kleinere Volksläufe folgten, ehe Christian Glatting mit neuneinhalb Jahren mal bei der LSG Aalen vorbeischaute. "Das Training war von Anfang an eigentlich auf das Laufen ausgerichtet. Drei Mal die Woche trainierte ich damals. Dauerläufe von maximal 40 Minuten, Gymnastik und hin und wieder noch Fußball." Dabei lief Christian Glatting schon damals hauptsächlich Volks- und Stadtläufe. "Mich hat die Bahn eigentlich nie interessiert. Bei den Straßenläufen hatte ich eben den Anreiz Pokale und Preise zu gewinnen." So beläuft sich seine Sammlung mittlerweile auf über 40 Pokale und 100 Urkunden. Mit 11 deutete er mit einer Zeit von 6:37 Minuten über 2000m schon sein großes Talent an.

> Vom Schüler in die deutsche Spitze

Mit dreizehn wurde Christian Glatting auf einen F-Kader Sichtungslehrgang eingeladen. "Das war ein sehr starker Jahrgang. Leute wie Rico Loy oder Christian Stanger waren da auch schon dabei." Er wurde nicht in den Kader aufgenommen, denn bei den Kraft und Sprungwerten waren andere besser. Doch Christian Glatting hatte schon damals gemerkt, dass er läuferisch mit den anderen mithalten konnte. Er lief als 12-jähriger die 1000m in 3:05 Minuten, mit 13 blieb die Uhr bei 3:01 Minuten stehen. Keine außergewöhnlichen Zeiten, denn Christian Glatting rannte lieber auf der Straße. "Das ist einfach viel abwechslungsreicher, auf er Bahn zählen ja eigentlich nur Zeiten." sagt er und ließt in seinem Trainingstagebuch weitere Zeiten herunter. "Im Jahr 2000, mit 14, bin ich die 3000m gleich ein paar Mal nur ganz knapp über 10 Minuten gelaufen. Ein Jahr später, als 15-jähriger, hatte ich  mit 9:29 Minuten endlich eine Zeit unter 10 Minuten." Christian Glattings Worte sind ruhig, wahrscheinlich sagen sie mehr über ihn, als die Zahlen die sein Trainingsplan hergibt. "Ich bin schon viel gelaufen, da kann ich mich kaum noch an einzelne Wettkämpfe erinnern. Fast jedes Wochenende stand irgendwas an."  So ist es auch nicht verwunderlich, wenn er sich kaum noch an seine ersten Deutschen Meisterschaften 2002 in Regensburg erinnern kann. "Ich weiß noch, dass das mit der Mannschaft ein toller Erfolg war. Zweiter sind wir da geworden." Es folgten die Deutschen 10km-Meisterschaften in Schotten, wo Christian Glatting nach 32:43 Minuten in der deutschen Spitze angekommen war. "Das war damals eine super Zeit für mich." Über 3000m hatte er mittlerweile einen Sprung auf 8:58 Minuten gemacht. Eine Leistungssteigerung, die mit einer Trainingsintensivierung Hand in Hand ging. 

> Training in der B-Jugend

"Wir hatten das Training in dieser ersten Saison als B-Jugendlicher deutlich gesteigert. Im Schnitt waren das etwa 65km die Woche, verteilt auf sechs Trainingseinheiten." Drei Einheiten davon trainierte Christian Glatting in der Aalener Laufgruppe. "Dienstags stand meistens Krafttraining auf dem Plan, dazu eine Tempoeinheit die Woche. Doch ich hab' auch schon damals sehr viel nach Gefühl trainiert. Es konnte sein, dass an einem Tag Tempoläufe auf dem Plan waren. Doch wenn ich mich nach dem Warmlaufen nicht so gut fühlte bin ich stattdessen einen lockeren Dauerlauf gelaufen." Für einen 16-jährigen eine ausgesprochen Reife Einstellung, die wohl auch aus der großen Erfahrung rührt die sich Christian Glatting zu diesem Zeitpunkt schon erlaufen hatte. Hinzu kam, was Christian Glatting bis heute ganz besonders pflegt: "Ich laufe eigentlich das gesamte Training im Wald. Nur ganz selten geh ich auch mal auf die Bahn. Es ist hin und wieder gut für die Schnelligkeit und man kann die Geschwindigkeit einfach besser kontrollieren." Ja, die Bahn scheint schon von Anfang an nicht der große Freund des Christian Glatting gewesen zu sein. Sie steht für Monotonie, für knallharte Kontrolle. Dingen, die der Läufer von der Ostalb nicht mit dem Spaß am Laufsport verbindet. "Auf der Bahn sieht man immer dasselbe, Runde für Runde, wenn ich aber beispielsweiße im Wald laufen gehe habe ich einfach mehr Abwechslung. Deswegen bevorzuge ich Straßen- und Waldläufe. Natürlich ist es für mich auch reizvoll auf der Bahn eine Bestzeit zu unterbieten oder an einer Meisterschaft teilzunehmen. Aber für mich gilt auch : Umso weniger Bahnrennen ich laufe, desto wichtiger und spannender werden diese. Wenn ich ständig an Wettkämpfen auf der Bahn teilnehmen würde, wären sie auch nicht mehr so etwas besonderes." 

> Saison 2002/03

Mit etwa 70 Kilometer im Wochenschnitt stieg Christian Glatting in die Saison 2002/03 ein. Eine Saison, in der Christian Glatting  das erste Mal die Folgen seines unglaublichen Wettkampfpensums spüren sollte.  Ein Programm im Dezember war beispielsweise 10x800m in 2:38 Minuten. Nicht besonders schnell, dafür aber mit lediglich einer Minute Trabpause. "Ich laufe im Training auf der Bahn eigentlich nie länger als 1200m, meist so zwischen 400m und 800m." Das Trainingspensum umfasst Fahrtspiele,  hin und wieder Berg- und Treppenläufe und vor allem Tempodauerläufe. Diese meist im Rahmen eines Volkslaufes. "Meine normalen Dauerläufe mach ich meist im 5er Schnitt." fügt er hinzu. In Karlsruhe rannte er bei den Baden-Württembergischen Hallenmeisterschaften die 3000m in 8:45,94 Minuten ehe er sich im Februar an zwei Tagen gleich zwei weitere Titel sicherte. Samstags siegte er im Cross, Sonntags lief er in der Halle über 1500m in 4:09 Minuten allen davon. Im März, bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Bad Dürrheim, durfte sich der Aalener mit Platz drei über seine erste Einzelmedaille bei Deutschen freuen. Das Meisterschaftsprogramm ging weiter: Bei der DM in Burghaslach schrammte Christian Glatting um eine Sekunden an seinem ersten Titel vorbei. Eine Sekunde fehlte am Ende auf Zelalem Martel.  Christian Glatting weiß nicht besonders viel über diese Rennen zu berichten. Keine tiefen Erinnerungen, vielmehr hat man den Eindruck, dass die Platzierung das einzige ist, was er von den wichtigen Rennen mitnimmt. Die Platzierung als Ansporn für die kommenden Rennen. 

Man merkt relativ schnell, dass da einer spricht, der nicht vor Selbstbewusstsein strotzt, dafür aber einer, der ganz genau weiß was er kann.  Aus Christian Glattings Mund kommen keine Sätze die dem Zuhörer ständig eine Rechtfertigung vermitteln wollen. Man bekommt zu schlechten Rennen nicht unzählige Erklärungsgründe geliefert. Er sucht nicht nach Ausreden, reibt sich auch nicht lange an Gründen nach einer Niederlage auf. Nein, Christian Glatting besitzt diese Eigenschaft, diese Stärke, Ruhe und Besonnenheit auszustrahlen und Rennen schnell zu verarbeiten um weiter nach vorne schauen zu können.

> Mit Verletzung in die USA

Es folgte das traditionelle Ostertrainingslager in Italien und eine Häufigkeit an Rennen, wie sie schon im Frühjahr stattgefunden hatte. "Ich hab einfach alles mitgenommen. Jeder Wettkampf bringt dich ja auch weiter und stellt ein gutes Training dar." Anfang Juli lief Christian Glatting, noch in der B-Jugend, die 3000m in 8:37,91 Minuten. Es war ein knapper vierter Platz, es sollte nicht der letzte in den folgenden Jahren  bleiben. Den Rahmen bildeten auch in dieser Saison zahlreiche Volks- und Stadtläufe. Doch irgendwann musste sich der Körper von Christian Glattings melden. Und es kam knallhart: Im August 2003 wurde bei dem Gymnasiast ein Ermüdungsbruch im Mittelfußknochen diagnostiziert. Eine schwierige Situation, denn im selben Monat ging es für ein Jahr in die USA. "Über ein privat-organisiertes Austauschprogramm bin ich nach Lancaster im Bundesstaat Pennsylvania gekommen." Christian Glatting arbeitete sich langsam wieder ran, konnte bald schon wieder Umfänge von 25 bis 30 Kilometer absolvieren. "Über Cross Country Rennen hab ich wieder den Anschluss gefunden, doch so richtig fit war ich natürlich nicht. Auch die Wettkampfzeiten waren nicht so toll, aber trotz allem brauchte mich das Team, denn ich war ja ihr bester Mann."

> Die Suche nach alter Stärke

Nach der Rückkehr aus den USA, im Juni 2004, galt es für Christian Glatting langsam wieder zur alten Stärke zurückzufinden. "Über ein paar Stadtläufe und Umfängen von 50 bis 60 Kilometern habe ich mich langsam wieder aufgebaut." Ende des Jahres lag der Schnitt schon wieder bei über 70 Kilometer. Tempodauerläufe von beispielsweise 35 Minuten über 10km standen im Mittelpunkt. "Ich mache keine langen Läufe von 90 Minuten oder noch länger." gibt er einen weiteren außergewöhnlichen Punkt seines Trainings preis. Christian Glatting schien wieder zur alten Stärke gefunden zu haben. Im Oktober siegte er bei den Landesmeisterschaften über 10km in 32:24 Minuten. "Bei den anschließenden Deutschen Cross galt es für mich wieder richtig rein zu kommen und zu sehen, wie weit ich von der Spitze noch weg war." In Bremen wurde Christian Glatting Zwölfter.

> EM-Norm über 10000m 

Nahtlos ging das Training für 2005 weiter. Das Jahr in dem die U20 EM in Litauen im Kalender stand. "Klar, das war ein Ziel,  aber es war auch nicht so, dass wir alles auf diese EM ausgerichtet haben." Der Kilometerumfang des A-Jugendlichen stieg nun auf durchschnittlich 90 Kilometer. "Da waren natürlich auch mal Wochen mit 115 Kilometer dabei, aber eben auch welche mit 70 oder weniger." Über Hallenrennen holte er sich wieder die nötige Tempohärte, die im Winter bei Eis und Schnee im Freien nur sehr schwer zu erlangen ist. "Bei den Landesmeisterschaften über 3000m hab ich ausnahmsweise sogar mal im Spurt gewonnen. Und das wo ich doch in den wichtigen Rennen meist im Spurt noch von der Spitze verdrängt wurde." Die 8:42,23 Minuten waren ein erster Fingerzeig, doch Christian Glatting spürte, dass er noch mehr drauf hatte. Bei den Süddeutschen Meisterschaften zeigte die Uhr nach 3000m dann 8:35 Minuten an. "Das war wirklich locker und stellte eher einen guten Trainingslauf dar. Da hab ich mir für die Deutschen natürlich schon einiges ausgerechnet." Doch es kam anders. "Es war ein enttäuschendes Rennen, ich wollte eigentlich an die 8:30 Minuten laufen, doch am Ende war es wieder nur der vierte Platz in 8:36,87 Minuten." In Ohrdruf, bei den Deutschen 10km Meisterschaften, sollte dann endlich wieder eine Medaille raus springen. "Ich hab immer wieder Druck gemacht, bin aber einfach nicht weg gekommen. Im Spurt bin ich dann wieder nur Vierter geworden." Die Zeit von 31:00 Minuten deutete allerdings schon an, dass es was mit der EM-Norm von 30:30 Minuten werden könnte. 

"Diese 30:30 Minuten waren das Ziel und ich wusste, dass ich nur sehr wenige Chancen hatte es zu erreichen." sagt Christian Glatting zu den folgenden Bahnrennen. Mit Turnschuhen rannte er die 5000m in 14:53 Minuten, ehe er bei den Deutschen 10000m Meisterschaften in Koblenz das erste Mal die Norm in Angriff nahm. Es herrschten brutale Bedingungen, ein regelrechter Hitzekessel hatte sich im Koblenzer Stadion gebildet. "Die ersten Runden passten und ich war auf Kurs, doch irgendwann merkte ich dann, dass die Norm nicht mehr drin war." Christian Glatting stieg aus, sparte seine Kräfte und konzentrierte sich auf das nächste 10000m Rennen. Wenn Christian Glatting das erzählt bekommt man ein Gefühl dafür, wie vernünftig und überlegt er die Rennen betrachtet. Er sieht keine Niederlage darin, aus einem Rennen auszusteigen, denn letztendlich gilt es ein Ziel zu erreichen.  

Mitte Juni, bei einem Meeting in Regensburg, katapultierte sich Christian Glatting dann dort hin, wo er sich sein Ziel gesteckt hatte. Er hatte mit seiner Entscheidung in Koblenz recht behalten. "Die Bedingungen waren optimal: 14°C und leichter Nieselregen. Hinzu kam, dass es einige Läufer in meinem Bereich gab. Mit Dennis Pyka konnte ich mich in der Tempoarbeit abwechseln." Christian Glatting rannte sensationelle 30:19,22 Minuten. Damit stand er am Jahresende auf Platz drei der Deutschen Bestenliste der Junioren. Lediglich Stefan Koch und André Pollmächer waren schneller. Damit war Christian Glatting für seine erste internationale Meisterschaft nominiert. Doch ein solchen Rennen zehrt am Körper, solch ein Rennen fordert Erholung und Regeneration."Danach musste ich mich erst einmal eineinhalb Wochen ausruhen." Doch die EM ließ keine größere Erholung zu, schon bald lief das Training wieder auf Hochtouren. Aus seinem Trainingsplan zitiert er Tempoprogramm die im Hinblick auf die Europameisterschaft absolviert wurden. "Zum Beispiel 5x1200m in 3:40 bis 3:36 Minuten, oder vor Regensburg hab ich 4x500m, 3x800m in 82,5 Sekunden und 2:24 Minuten gemacht. Die Pausen lagen bei zwei Minuten."

> Die erste internationale Meisterschaft läuft selten gut

Zwei Wochen vor dem Trainingslager in Kienbaum nahm Christian Glatting an einem Volkslauf über 10km teil. Keine außergewöhnliche Sache, sollte dieser Lauf doch lediglich einen Tempodauerlauf darstellen. "Ich bin locker in einem 3:35er Schnitt losgelaufen, bis es nach 6 Kilometern auf einmal an meiner Achillessehne gezwickt hat. Ich hab dann Tempo raus genommen und gedacht, dass es schon wieder gehen würde." Bei Kilometer acht ging Christian Glatting aus dem Rennen. "Mein Vater ist ja Arzt und er vermutete eine Überreizung." Ein heftiger Schlag, so kurz vor den Europameisterschaften, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. "Wir haben uns entschlossen es trotzdem zu probieren. Auf dem Ergometer und mit lockeren Dauerläufen habe ich mich versucht fit zu halten." Mitte Juli ging es nach Kienbaum, die DLV-Ausrüstung wurde ausgeteilt und der Start rückte immer näher. "Die Physiotherapeuten versuchten alles, aber die Schmerzen gingen einfach nicht weg." Christian Glatting musste abreisen und erlebte damit wohl den schwersten Moment seines noch jungen Läuferlebens. "Ich bin dann den ganzen Sommer Rad gefahren. Ab August konnte ich wieder ganz lockere Dauerläufe machen." Nicht lange an Niederlagen aufhalten - das ist Christian Glatting.

Bald lief schon wieder alles wie gewohnt: Kurze Tempoläufe und zahlreiche Volksläufe als Tempodauerläufe. "Ein Programm war beispielsweise 4x500m, 3x400m und 2x300m  in 87 Sekunden,  68/69 Sekunden und 48/49 Sekunden." Christian Glatting hatte sich nach seiner Verletzung nicht aufgegeben, vielmehr hatte er sich schon neue Ziele gesteckt, die es zu erreichen galt. "Im September bin ich schon wieder die Deutschen 10km Meisterschaften in Otterndorf gelaufen. Dort wurde ich bei den Junioren in 31:06 Minuten Sechster. Das war nach der langen Pause nicht zu erwarten." Nun war die Motivation wieder da, die Bestätigung eingeholt. Christian Glatting hatte durch Talent, Wille und Zielstrebigkeit erneut den Anschluss gefunden.

> 2005 und die Deutschen Crossmeisterschaften in Darmstadt

"Im Oktober war ich bei einem Einführungslehrgang des DLV in Saarbrücken. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich, da dort hauptsächlich auf Alternativsportarten Wert gelegt wurde. Vor allem Schwimmen und Radfahren standen auf dem Plan." Anschließende Kilometerumfänge von knappen 90 Kilometern stärkten die Überzeugung des Christian Glatting, endlich einen deutschen Meistertitel zu holen. "Bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Darmstadt wollte ich endlich gewinnen. Zudem war klar, dass die ersten sechs mit zur Europameisterschaft durften." Und genau mit dieser Einstellung ging er in das Rennen. "Der zweite Platz hätte mir nichts bedeutet. Zweiter, Dritter, und Vierter war ich in den Jahren zuvor schon mehrfach bei Deutschen Meisterschaften." Die Konkurrenten mussten schnell feststellen, dass Christian Glatting an diesem Tag nicht zu schlagen war. "Natürlich muss man auch an sich glauben, Mut haben, und etwas riskieren um bei einer DM von vorne wegzurennen. Man muss beißen können und darf nie das Ziel aus den Augen verlieren, sonst hat man schon verloren. Zu Beginn des Rennens fühlte ich mich noch locker. Mit der Zeit wurde das Rennen dann immer anstrengender, aber nachdem ich erst mal vorne war gab’s nicht mehr viel zu überlegen: alles oder nichts. Der Wunsch zu gewinnen war einfach größer als der Schmerz, daher konnte ich diesen recht gut verdrängen." Christian Glattings Wunsch sollte an diesem Tag in Erfüllung geben. Er distanzierte seine Konkurrenten zeitweise auf über 100 Meter. "Auf der letzten halben Runde habe ich Tempo raus genommen und so kam Falko Zauber im Spurt noch bis auf drei Sekunden an mich ran." Christian Glatting zeichnen diese Situationen aus. Er hat das Gespür dafür und weiß sehr genau, dass es keinen Sinn macht über das Ziel hinauszuschießen. Seine Kräfte sollte er zu einem späteren Zeitpunkt noch brauchen. 
"Im Ziel angekommen war ich natürlich überglücklich. Endlich, mein erster DM Titel! Mir wurde von allen Seiten zu diesem Erfolg gratuliert. Sogar Konkurrenten lobten mich für meine starke Leistung mit der sie nicht gerechnet hätten." Man könnte in einem solchen Moment sagen: Am Ende wird alles gut. Christian Glatting war bei der Crosseuropameisterschaft in Tilburg dabei.

> Eine unglaubliche Form

Christian Glatting befand sich in einer Form, wie er sie noch nie hatte. Selbst einige Tage Pause nach den Europameisterschaften änderten nichts daran, dass er beim sehr gut besetzten Bietigheimer Silvesterlauf Achter wurde. Es ist die Paradedisziplin des Christian Glatting. Der Lauf durch die Stadt, auf Asphalt, auf Pflasterstein. Er hat diese Disziplin von klein auf geübt, hat sie lieben gelernt und ist damit einer der besten Nachwuchsläufer in ganz Deutschland geworden. Rückstände von nur 14 Sekunden auf den deutschen Halbmarathonmeister Stefan Koch und 9 Sekunden auf Martin Beckmann, sprachen über 11,2 Kilometer für sich. 
"Im Hinblick auf das Jahr 2006 habe ich relativ wenig gemacht. Der Winter war sehr kalt und schneereich. Hinzu kam, dass ich mein Abi schrieb." So pendelten sich die Umfänge von Dezember bis März bei etwa 65 Kilometer pro Woche ein. "Zum Spaß bin ich in Neukirch einen Cross vom DLV mitgelaufen und 22. geworden." Christian Glatting war nun Junior und musste sich neu orientieren. "Bei der Cross-DM in Regensburg bin ich gelaufen, weil wir mit der Mannschaft eine Chance auf den Titel hatten. Das hat ja dann auch geklappt." In der Einzelwertung war Christian Glatting als Siebter maßgeblich daran beteiligt. 

> Ziel 2006: DM-Norm über 5000m

"Ab April 2006 hab ich das Training dann wieder richtig aufgenommen." Christian Glatting hatte ein neues Ziel vor Augen. "Internationale Meisterschaften, die für mich realistisch gewesen wären gab es ja nicht, also wollte ich die DM-Quali bei den Erwachsenen über 5000m unterbieten." Ein Programm in der Vorbereitung sah beispielsweise wie folgt aus: 4x800m 3x400m und 4x200m in 2:25 bis 2:20 Minuten, 65/66 Sekunden und 29/30 Sekunden mit 1,5 bis 3 Minuten Pause. Es schien wie ein Jahr zuvor. Das Training, die Vorbereitung, das Ziel. Mittlerweile hatte Christian Glatting 32er-Zeiten über 10km im Standardrepertoire. Und wieder sollte der erste Versuch, die Norm zu unterbieten, in Koblenz sein. "Dort bin ich nach etwa 4,3 Kilometer raus, weil ich gemerkt habe, dass die Zeit nicht mehr möglich war. Ich wusste ja, dass es noch genügend Gelegenheiten geben sollte." Christian Glatting kannte diese Situation und er hatte sehr gute Erfahrungen mit dieser gemacht. Ende Juni rannte er bei einem Meeting in Siegburg 14:18,69 Minuten und unterbot die Norm um fast 7 Sekunden. "Das Rennen ist absolut top verlaufen, damit war ich sehr zufrieden." 
Damit hatte der den Sprung in die Spitze der deutschen Juniorenklasse endgültig geschafft und war auf einmal ganz nah an der 14-Minunten Grenze dran. Doch die Parallelen zum Vorjahr rissen nicht ab, denn auch die negative Folge sollte wieder eine Rolle spielen. "Bei den Deutschen in Ulm musste ich leider aussteigen. Ich hatte wenig mit Spikes trainiert und schon nach zwei Runden hat es in der Wade gezwickt." Doch es ist eben nicht die Mentalität des Christian Glatting lange zu sinnieren, was da im Rennen passiert war. Er schaut nach vorne, dreht am Rad und blickt schon wieder auf neue Ziele. "Ich fahre seit dem B-Kader Lehrgang in Saarbrücken jetzt auch mehr Rad und gehe Schwimmen." Christian Glatting hat jetzt bis Oktober frei, kann trainieren und alles ganz ohne Schulpflichten angehen. "Ich werde vielleicht noch 1500m und 3000m auf der Bahn laufen um meine alten Bestzeiten zu verbessern, aber mein Hauptziel sind in sechs Wochen die Deutschen 10km Meisterschaften." In Christian Glattings Sätzen und Wörtern sucht man vergeblich nach Stress und Aufregung. Kein erneuter Versuch seine 5000m Zeit noch einmal zu unterbieten, keine Hatz nach Medaillen. Irgendwie vervollständigt es das Bild des Athleten Glatting nur zu logisch: Er hat aus der Vergangenheit gelernt und seine Konsequenzen gezogen. Er weiß, dass ein gutes Rennen viel mehr zählt, als viele mittelmäßige. 

> Ernährung

Christian Glatting lacht, wenn er von seinen Lieblingsessen erzählt. "Eigentlich ist das Döner und Schnitzel mit Pommes." Die klassische Sportlerernährung also. Doch auch hier weiß der sehnige Mann, dass auch gesunde Sachen sein müssen. Viele Kohlenhydrate, Äpfel und Salat stehen auch bei Glattings auf dem Esstisch. "Zusätzlich nehme ich hin und wieder noch Eisentabletten, sonst aber nichts."

> Schule, Studium

Christian Glatting war ein guter Schüler, dies berichten zumindest seine Noten. Das Abi mit 1,9 beweißt auch, dass sich gute Leistungen in Sport und Schule nicht gegenseitig ausschließen müssen. "Meine Neigungsfächer waren Chemie und Bio." Für Christian Glatting ist klar, dass er Medizin studieren möchte. Da stellte auch ein Studium in den USA eine Option dar. "In Stanford hatte ich über den Sport schon ein Vollstipendium, doch das bringt dir alles nichts, wenn du bei der Uni nicht reinkommst. Stanford ist eine der besten Unis in den USA und von 23000 Bewerbern werden eben nur 2000 zugelassen." Damit war das Kapitel Auslandsstudium abgehakt. Die Bewerbungen für das Medizinstudium in Deutschland laufen.

> Freizeit, Hobbies...

"Ins Kino geh ich gern, hin und wieder auch noch Basketball spielen. Früher hab ich viel Schach gespielt. Heute mach ich das ab und zu auch noch." Man könnte nun vom Schach einen Bogen zum Laufen spannen, doch dies soll an dieser Stelle nicht geschehen. Zu klar und offensichtlich stellen sich im Nachhinein die Parallelen des Taktikers Christian Glatting dar.

> Sponsoring, Finanzen...

"Nach den Erfolgen von 2005 habe ich eine Grundausrüstung an Laufschuhen und -bekleidung von Nike bekommen. Bei den Fahrten zu Wettkämpfen werde ich vom Verein unterstützt." Zudem ist Christian Glatting seit diesem Jahr im Kärcher-Nachwuchs-Team.

> Ziele, Motivation...

"Den Spaß am laufen hatte ich von Anfang an und bisher habe ich ihn auch nicht verloren. Damals, also vor etwa 10 Jahren, lag meine Hauptmotivation sicherlich bei den zahlreichen Pokalen die ich gewonnen habe. Heute freue ich mich natürlich immer noch über den ein oder anderen Pokal, aber wichtiger sind für mich Meistertitel und neue Bestzeiten. Warum sollte ich jetzt mit dem Laufen aufhören, wenn ich genau weiß, dass ich in ein bis zwei Jahren die 5000m unter 14 min laufen kann. So eine 13er Zeit hat schon was." sagt Christian Glatting. Man nimmt ihm das ohne Zweifel ab. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Mann aus Aalen seine Ziele bisher erreicht hat. Nicht jene, die man als Träume bezeichnen würde. Eher solche, die er sich vor einer Saison gesteckt hat, solche die ihn weiterbringen. Dabei geht er ohne Frage einen ganz eigenen Weg. Einen Weg mit eigenen Trainingsphilosophien, mit eigenen Planungen. Christian Glatting scheint erkannt zu haben, dass er mit seinem Talent und seiner Einstellung noch viel erreichen kann. "Man muss entweder mehr oder anders trainieren um besser zu sein", könnte man an dieser Stelle anbringen. Auf Christian Glatting trifft sicherlich das zweite zu. 


Und wenn er fortfährt und sagt: "Bei uns in Aalen gibt’s viel Wald und somit auch viele abwechslungsreiche Laufstrecken. Ich bin gern in der Natur, da fühle ich mich richtig wohl. Und abgesehen vom Fahrrad fahren gibt es wohl kaum einen Sport bei dem man so viel von der Umgebung zu sehen bekommt wie beim Laufen.", dann  weiß man endgültig, dass der Mann aus Aalen mit beiden Füßen ganz fest auf dem Boden geblieben ist. Man kann in vielen Dingen von Christian Glatting lernen, nicht nur von seinem Training, nein, vielmehr noch von dem Menschen Christian Glatting.

Stefan Faiß (18-21.07.2006) | Kontakt |

 

 

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