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Hicham El Guerrouj: Vom Fußballer zum Olympiasieger?

 

3:26,00 ; 3:43,13 und 4:44,80 sind die Zeiten, die für diesen  Mann zu Buche stehen. Es sind Zeiten, die man sich erst einmal vor Augen führen muss um über diesen Ausnahmeathleten, diesen Läufer reden zu können. Fast selbstverständlich ist mittlerweile, dass es  keinen Menschen gibt und gab, der je zuvor schneller war, schneller als der Marokkaner.   Nehmen wir einmal die 3:26,00min über 1500m, welche er im Jahre 1998 in Rom auf die Laufbahn gebracht hat. Das sind Durchgangszeiten auf die 400m von knapp 55 Sekunden und damit etwa 2:17min über die 1000m. Allein mit dieser Zeit wäre er in diesem Jahr über 1000m der drittschnellste Läufer auf der Welt. Dabei läuft er mit 26,2km/h über diese Zeitdauer. Haben Sie schon einmal probiert dieses Tempo nur 100m zu laufen. Exakt 13,7 Sekunden dürften Sie dann brauchen. 

Das ist natürlich nur die Spitze des Eisberges. Weltrekorde über die Meile und 2000m stehen ebenfalls für ihn zu Buche. Nur um einen Vergleich zu haben. Bei seinem 2000m Weltrekord 1999 in Berlin passierte er die 1500m Marke bei 3:33 - Dieter Baumann war allein auf dieser Distanz nie schneller. Hicham läuft dieses Tempo noch 500m weiter. Über die Meile (1609m) im selben Jahr in Rom zeigte die Uhr nach 3,75 Runden eine Weltklassezeit von glatten 3:28min - Wahnsinn!

Hicham El Guerrouj, wie er in den Bestenlisten auftaucht, wurde 1974 in Berkane in Marokko geborgen. Wie so viele heutige Spitzenläufer begann auch er seine Karriere mit dem Fußball. Doch sein großes Talent zum Laufen und das lästige Wäschewaschen in seiner Fußballmannschaft führte  ihn schon relativ früh wieder weg vom Rasensport.1990 startete er seine vielversprechendere Karriere als Leichtathlet. Ein Jahr darauf rannte er die 1500m, im Alter von 17 Jahren, bereits in 3:51min. Durch Siege bei regionalen Rennen lief er sich schnell in die Nationalmannschaft und errang dort bereits im Jahre 1992 bei der Junioren WM Bronze über 5000m (13:46,79min). Zwei Jahre später, im Alter von 19 Jahren, lief er die 1500m bereits in unglaublichen 3:33,61min.

Er trainiert seit da an in dem legendären Trainingszentrum der Marokkaner in Rabat, zum Höhentraining auch in Ifrane(1650m ü. M.). Ifrane liegt im Atlas-Gebirge und ist ein beliebtes Ferienziel der Marokkaner. Auch Gabriela Szabo hat dort bereits die Höhe zum Trainieren gesucht. Unzählige Laufrouten auf unbefestigtem Boden bieten für die Athleten optimale Laufmöglichkeiten. Somit also optimale Trainingsbedingungen für den gläubigen Muslim, der selbst im Ramadan sein Trainingspensum durchzieht. Schon allein diese Tatsache sagt sehr viel über die Disziplin, den Willen und den Charakter dieses Mannes aus. Nicht die Show, das Aufsehen sind seine Erfolgsrezepte. Er will durch Leistung überzeugen, durch Siege. 

Siege folgten in den Jahren darauf auch massig. Weltmeister über 1500m in den Jahren 1997, 1999 und 2000. Dazu wurde er 2001 zum Weltleichtathleten gewählt (Bild links) Mehrmaliger Grand-Prix Gesamtsieger und vierfacher Gewinner der Golden League (1998, 2000, 2001 und 2002). Dazu 1mal Silber bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney. "Nur" Silber muss man sagen, denn seit dem Jahre 1996 musste Hicham nur 2 Niederlagen über 1500m hinnehmen. Und diese 2 Niederlagen waren eben bei den Olympischen Spielen. 1996 stürzte er und 2000 wurde er auf der Zielgerade noch überspurtet (siehe Bild rechts).

Er selbst sagt, dass ihn die Niederlage von Sydney am meisten geärgert hat. Er hat daraus  neue Motivation geschöpft, noch mehr zu trainieren um noch mehr zu erreichen - Olympiasieger werden. Und er will nachholen, was er bei diesen 2 Spielen verpasst hat. Im kommenden Jahr in Athen plant er wahrscheinlich sogar einen Doppelstart über 1500m und 5000m. Er will sich seine 2 Goldmedaillen holen, die ihm bis jetzt verwehrt blieben.

Was unterscheidet aber diesen Läufer, mal von den Erfolgen abgesehen, von all den anderen Läufern, seine Gegnern? Dazu wollen wir uns einmal das Training von Hicham aus dem Jahre 1997 anschauen. 

In der Vorbereitungszeit (Oktober bis Dezember) gibt es 4 Arten des Ausdauertrainings für ihn: Erstens 30-45min Dauerlauf, zweitens 50-60min Dauerlauf. Diese Dauerläufe variieren im Tempo. So kann es sein, dass er einmal in einem 3er bis 3:10er Schnitt läuft und das andere Mal in einem Kilometerschnitt von 2:50min. Die anderen 2 Trainingsarten im Ausdauerbereich sind Tempoeinheiten. Einmal 4x2000m in 5:10min mit 2 Minuten Pause und zum anderen 6x1000m in etwa 2:30min ebenfalls mit 2 Minuten Regeneration. Auch von 5x1500m in 3:45min hat man gehört. Wichtig für seinen Coach Adelkader Kada ist dabei, dass sein Athlet einen Rhythmus auf einem hohen Niveau bekommt (etwa 70% seinen Leistungsvermögens). Aus diesem Grund wiederholt Hicham ein Programm, wenn er es an einem Tag nicht ganz durchziehen konnte am nächsten Tag. Eine wichtige Rolle spielt in der Vorbereitung auch das Krafttraining. Dabei werden nicht nur die wichtigen Muskeln trainiert, sondern auch diejenigen, die mancher vielleicht für nicht so wichtig hält. Dies wird sowohl mit freien Gewichten als auch an Maschinen ausgeführt. Hinzu gesellen sich Bergläufe, die er einmal in der Woche auf seinem Programm stehen hat. Beispielsweise 10x300m. Auch horizontale und vertikale Sprünge über Hürden gehören zu seinem Trainingsplan.

Nun folgt, je nach dem wie die Planung ist, eine Hallensaison, bei der Hicham nicht viele, aber einige schnelle Rennen sucht. So hat er im Jahre 1997 auch  Weltrekorde über die 1500m und die Meile aufgestellt. Sie stehen nun bei 3:31,18min und 3:48,45min.

Anschließend folgt die zweite Vorbereitungsphase von März bis April. Es werden nun schon vereinzelt harte Tempoläufe im Wettkampftempo hinzugenommen. Dabei wird das Training aus der ersten Vorbereitungsphase nur durch Zurücknahme der Krafteinheiten weitergeführt. Auch die Dauerläufe dauern nur noch 30-45min, werden aber weiterhin in einem 2:50er bis 3min Schnitt absolviert. Auch ein 30 min Dauerlauf in einem wesentlich langsameren Tempo hilft zur Regeneration nach harten Tempoeinheiten. Diese sind zum Beispiel Fahrtspiele mit Belastungen von 6min/5min/4min/3min/2min oder Bahneinheiten wie 1600m/1200m/800m/600m/400m mit kurzen Pausen von einer Minute bis runter auf 30 Sekunden. Hinzu kommen in dieser Phase verschiedene Sprünge (etwa 200 bis 300 Stück pro Einheit), Bergläufe von 10x300m und 5x150m.

Im Mai kommt das richtig harte Training, welches ihm noch den letzten Schiff für die anstehende Saison gibt. Flotte Dauerläufe im 3er Schnitt macht er nur noch bis 30 min. Die regenerativen Läufe aber bis 40 Minuten. Dann natürlich die Programme die jeden Läufer, egal welcher Leistungsklasse, staunen lassen. Beispielsweise 10x400m in 54-53sek mit einer unglaublich kurzen Pause von 30 Sekunden. Dabei bekommt er immer auf den letzten 200m Hilfe von einem "Hasen". Diese Training dient dazu um das Wettkampftempo zu trainieren. Mit einem Programm von 10x300m verbessert er seine Schnelligkeit. Die Zeiten hier für die Läufe liegen bei 35 bis 36 Sekunden. Auch ein Programm um seine Schnelligkeit zu trainieren ist 6x500m wobei ihm auf den ersten 300m eines jeden Laufes ein "Hase" hilft. Er spielt eine sehr wichtige Rolle, denn er hilft dabei den Wettkampf zu simulieren. Tempowechsel kommen dabei nicht selten vor. Nun gilt es den Lohn für die harte Arbeit zu ernten: Die Wettkampfperiode dauert meist bis Ende August. 

Dieser Trainingseinblick hat sich  bis zum heutigen Zeitpunkt kaum verändert, denn dieses System hat ihm schon damals großen Erfolg beschert. Sein Trainer sagt, dass man für dieses Training sehr professionell arbeiten muss und das tut Hicham, der mit seinen 1,78min Körpergröße und 58kg Gewicht auch die richtigen physischen Eigenschaften dafür mitbringt. Für ihn ganz wichtig ist, dass jedes Jahr neue Trainingsreize hinzukommen um die Motivation aufrecht zu erhalten. Diese Trainingsveränderungen kratzen allerdings nur sehr bedingt am normalen Trainingsplan.

Auch wenn seine Läufe durch seinen eleganten Laufstil sehr locker wirken sagt er selbst, dass die 1500m Rennen schon nach 400 Meter weh tun, da die Muskulatur bei diesem Tempo schon in die Säure gerät. Kaum vorstellbar, wenn man ihn schon mal hat laufen sehen.

Er selbst traut sich zu, die 1500m unter 3:24min laufen zu können und den Weltrekord über 5000m von Haile Gereslassie hat er auch im Visier. Der steht übrigens bei 12:39,67min. Lockere 400m Abschnitte von 60,7 Sekunden - was ist das schon. Ihm traut man mittlerweile alles zu, denn er ist der einzige, der so eine Palette an Weltklasseleistungen vorzuweisen hat. Sein Einstieg über die 5000m in diesem Jahr war mit 12:50,24min zwar noch weit vom Weltrekord entfernt, aber so schnell wie er hat noch keiner vor ihm eine 5000m Prämiere gegeben. 

Und schon im Jahre 1994 sagte sein großes Vorbild, der Olympiasieger Said Aouita, über den jungen Hicham: "Dieser junge Mann ist dabei der beste 1500m Läufer in der Geschichte zu werden." Er ist es geworden...

Stefan Faiß (29.06.2003)

Vielen Dank für den Link auf der Website von Heiko Klimmer

 

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