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Selbst fliegen kann nicht schöner sein!

Es muss letzten Frühling gewesen sein, als ich jenes unvergessliche Erlebnis hatte. Es war ein Nachmittag an, dem ich wie gewohnt zu einem lockeren Dauerlauf aufbrach. Das Thermometer stieg zum ersten Mal in diesem Jahr  wieder über die 20°C Grenze. Die Luft war angenehm frisch und der Himmel endlos blau, nur ein Vogelschwarm war am Horizont zu erkennen. Es mussten Zugvögel gewesen sein die aus südlichen Gefilden wieder zurückkamen. Wie leicht und fast ohne erkennbaren Flügelschlag sie dahinzogen. Was musste das für ein Gefühl sein: Sich einfach so treiben zu lassen, ohne die Schwerkraft der Erde wahrzunehmen. Ja dieses Gefühl musste traumhaft sein. 

Ich lief los. Während den ersten Schritten spürte ich noch den anstrengenden Schultag in meinen Beinen. Doch dieses Gefühl schwand schnell, denn ich war froh endlich wieder laufen zu können. Lies den Tag noch einmal Revue passieren, und war froh das er fast vorüber war. Das Wetter lies auch endlich wieder eine kurze Hose zu, vergessen waren die Tage wo der Körper noch in dicke Jacken und Laufhosen gepackt war. Ich spürte richtig wie die nackte Haut meiner Beine die frische Frühlingsluft aufnahm, sie lebten richtig auf. Der Schritt und die Atmung gingen immer leichter, ich spürte das es wieder einer dieser Läufe werden würde, bei denen man nicht mehr aufhören wollte zu laufen.

Die ersten 3 Kilometer waren von leichten Auf und Ab's gezeichnet. Der Asphaltweg führte an grünen Wiesen vorbei. Prachtvoll erstrahlten sie in voller Blühte. Die Sonnenstrahlen schienen sie förmlich zum atmen zu bringen. Einfach herrlich. Es folgte ein Gefälle mit etwa 150 Höhenmeter. Locker fühlte sich der Schritt an. Ein Blick auf die Uhr verrat mir, dass ich gut unterwegs war, doch das war an diesem Tag nicht entscheidend. Ich wollte einfach nur rollen, den Schulstress abbauen und neue Energie tanken. Ich tauchte in den Wald ein, es ging immer noch bergab. Mittlerweile war ich ca. 15 Minuten unterwegs und es konnte noch ewig so weitergehen. Unten angekommen folgte ich dem Tal auf einem Schotterweg. Er wird von einem Bach begleitet, der ihn immer wieder zu Überführungen zwingt, Fast im Zickzack schlingt sich das plätschernde Gewässer dem Tal Ende entgegen. So prachtvoll hatte ich den Wald noch nie erlebt. Er schien einen förmlich in sich aufzunehmen, vor modernen Einflüssen zu schützen. Nur ein paar einzelne Sonnenstrahlen fanden den Weg zwischen den Zweigen hindurch, um sich dann im Wasser wiederzufinden. Die Luft war frisch und kräftig. Ich spürte den langen raumgreifenden Schritt, welcher den Untergrund wie ein Film unter mir vorbeiziehen ließ. Ich musste mich bremsen, um nicht in einen Tempodauerlauf zu verfallen. 

Wie ich so dahin lief stellte ich mir auf einmal vor, in einem Olympiarennen zu sein. Ich war in der Spitzengruppe dabei, umringt von Afrikanern aus Kenia und Marokko. Die Zuschauer standen am Streckenrand und ließen uns keine Chance, das Tempo zu verringern. Sie peitschten uns nach vorne. Ich stellte mir vor wie das Rennen im Fernseher zu sehen war, hörte plötzlich den Fernsehreporter mit immer lauter werdender  Stimme: " Eine Spitzengruppe hat sich abgesetzt, und halten sie sich fest es ist ein Deutscher mit dabei, erst 18 Jahre und schon in der Weltspitze dabei" Eine Gänsehaut überfiel mich. Es musste ein Traum sein. Doch ich hielt mich zurück lies die anderen das Tempo machen, denn ich wusste das noch ein letzter Anstieg kommen würde, welchen ich für einen Angriff nutzen wollte. Immer lockerer und schneller wurde es, ich fühlte mich wie entfesselt. Atem, Schmerzen, Qualen was ist das? Nein heute nicht, heute schwebte ich dahin. Wollte alle Konkurrenten herausfordern, jene die mich im letzten Rennen noch geschlagen hatten. Heute konnte mich keiner schlagen! Nicht die Weltrekordler, nicht die Weltmeister. Es ging an die letzte Steigung. Schlangeförmig zog sie sich hinauf. Umgeben von einem dichtem Tannen- und Blätterwald. Am Fuße des Berges zog ich an, spürte wie die anderen abfielen. Die Zuschauer standen in Vierherreihen am Rand. Der Fernsehmann überschlug sich fast "Schauen sie sich das an, das muss der Sieg sein, das ist Wahnsinn!" Ich musste langsam ein bisschen kämpfen um das Tempo zu halten. Doch wie leicht fällt das wenn man einem Olympiasieg entgegenläuft, wie leicht wenn es nur noch ein Kilometer zum Ziel sind. Auf einer kleinen Flachpassage beschleunigte ich noch einmal. Drehte mich um, doch es war keiner der Afrikaner mehr zu sehen. Ein letzter giftiger Anstieg und ich war auf der Zielgraden. Noch etwa 200m bis zum Gold, noch 200m dieses Gefühl der Freiheit auskosten. Ich führte mir die Bilder der großen Läufer wie Seb Coe und Dieter Baumann vor Augen. Riss die Arme hoch, genauso wie sie es getan haben, als sie ihre großen Rennen souverän gewonnen hatten. Trabte die letzten Meter nach dem Ziel aus. War zufrieden, blickte auf die Uhr die eine Zeit anzeigte die ich noch nie auf dieser Strecke erreicht hatte. Schweißgebadet stand ich nun im Ziel, der Tag neigte sich langsam dem Ende zu. Die Schatten vergrößerten sich die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont. Erneut erstreckte sich ein Schwarm von Vögeln am Himmel. Es wurde mir klar das ich zwar keinen Olympiasieg errungen hatte aber jetzt dachte ich zu wissen, nein jetzt war ich mir sicher zu wissen wie sich jene gefiederten Geschöpfe fühlen mussten wenn sie so frei und unbeschwert durch die Lüfte trieben. Denn ich hatte dieses Gefühl heute mit ihnen geteilt.

 

Anmerkung: Falls ich missverstanden werden sollte :-)

Stefan Faiß (18.02.2002)