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Wenn's läuft, dann läuft's halt!

 

Es ist Mittag, keine Wolken am Himmel, kein Wind, nur Sonne, warme Sonne.  Ich liege an einem endlos weißen Sandstrand. Meine Arme und Beine von mir gestreckt, versuch ich jeden Muskel in den entspannten Zustand zu bringen. Spüre den Pulsschlag, den ruhigen Atem. Der warme Sand hat sich wie eine Gussform an meinen Körper angepasst. Das rauschen der Wellen spült jede Sorge, jeden negativen Gedanken hinweg. Schön gleichmäßig, ruhig, hypnotisierend dringt der Wellenklang an meine Ohren. Ein paar Möwen begleiten den Wellenrhythmus mit kurzen Pfeifpassagen. Ein Strandkonzert, dass jede Entspannungsmusik übertrifft.  Halb schlafend verbringe ich so die kommenden Stunden in dieser völlig entspannten Lage. "Heute Abend einen lockeren Lauf am Wasser entlang" versuchen meine Gedanken den restlichen Tag zu planen. Ein kurzes Unterfangen, wo ich doch außer Altem und Herzschlag keine Anstrengung ausüben wollte. Die Stunden vergingen, ich wusste nicht wie viele, ich wollte es nicht wissen.

Plötzlich Musik, laute Musik. Musik, die nicht unbedingt sanft ans Ohr kam. Schlagszeug, E-Gitarre waren deutlich zu hören. Eine Stimme brüllte irgend einen Text, den wohl nur diejenigen verstehen, die es wollen. Ein Gegensatz zur Strandatmosphäre. Ich aktivierte die Muskeln, die es mir ermöglichten die Quelle dieser "Musik" ausfindig zu machen. Öffnete die Augen, hob den Kopf. Wo ist der Strand, das Meer, die Sonne? Mein Blick glitt über die Bettdecke, am Bettende vorbei, durch das Zimmer. Fernseher, Balkontür waren die nächsten Stationen. Die Musik war noch da. Ich blickte nach rechts. Da waren sie, die Boxen, der Diskman. Jetzt war ich mir wieder klar, wo ich war, und welche Musik hier gespielt wurde. Trainingslager in Emmelshausen, Aufenthaltsort war das Hotel Münster***. Mein Zimmerkollege Markus, ein Fan dieses "Lärmes" (Ich verurteile diese Musik nicht generell, nur manche Lieder haben meiner Meinung nach nicht mehr viel mit Musik zu tun), stimmte sich wie üblich auf die nächste Trainingseinheit ein. Ein Zeichen für mich, langsam die Bettdecke gegen die Laufhose zu tauschen. Wir hatten es 10 vor 10, und somit nicht mehr all zu viel Zeit um uns fertig zu machen. 

Ich öffnetet die Balkontür. Eine angenehme fast schon schweißtreibende "Hitze" bekam ich zu spüren. Maximal 10°C, Regen, graue Wolken, das "perfekte" Laufwetter. Wir schlüpften in die Regenjacken und machten uns auf den Weg in den Hof. Wir waren beide so motiviert, das wir es kaum aushalten konnten, endlich nach draußen zu gelangen. Bei Markus war das noch etwas intensiver, als bei mir. Am heutigen Abend wollte er einen Wettkampf über 5000m in Angriff nehmen.Das 30 Kilometer entfernte Koblenz sollte der Austragungsort sein. Bei so einem Wetter, ein angenehmes Unterfangen. Doch bis dahin war es ja noch eine Weile. Um 21:20Uhr sollte der Start sein.

Die Begeisterung war den anderen ins Gesicht geschrieben. Rocco "The Coach" Amato, Sara, Britta, Benny, Silke, Jürgen, Markus und ich bildeten das Team dieses Kurz-Trainingslagers. Optimistisch wie immer, prophezeite uns Rocco im Verlauf des Tages noch schöneres Wetter. Doch bei einem Blick zum Himmel kamen doch die einen oder anderen Zweifel zum Vorschein. Wir hofften, und setzten uns in Bewegung. Anfangs noch zusammen, teilte sich das Feld nach etwa 10 Minuten in 2 Gruppen. 5er Schnitt, ganz locker. Markus wollte lediglich seinen Kreislauf etwas in Schwung bringen. Kehrte nach 10 Minuten wieder um. Seiner Energie wollte er erst heute Abend freien Lauf lassen, dann wenn 12 1/2 Runden zu bewältigen waren. Jürgen, der sich heute Abend ebenfalls den 5000m stellen wollte, begleitete mich noch. Zu zweit liefen wir durch den Wald. Die Luft war frisch, die Kleidung jetzt schon nass. Es hatte sich langsam eingeregnet. Schön gleichmäßig, so dass wir langsam aber sicher klatsch nass waren. Vom Gefühl her war es etwa ein 4:40er Schnitt, was uns aber nicht sonderlich interessierte. Nach etwa 20 Minuten war auch die letzte Verspannung vom Vortag beseitigt. Gestern waren es 33 Kilometer, verteilt auf 2 Einheiten. Der Schotterweg war jetzt schon durch zahlreiche Pfützen unterbrochen. Der ein oder andere Sprung über diese tat ganz gut. Natürlich war sonst kein Mensch unterwegs. Vielleicht weil  hier in Rheinland-Pfalz noch keine Ferien waren, oder weil das Wetter die Menschen nicht gerade aus dem Haus trieb.

Wir liefen aus dem Wald, durch Emmelshausen um an Jürgens ehemalige Wohnung  vorbeizukommen. Der harte Asphalt der Straße fühlte sich nicht angenehm, im Gegensatz zu dem weichen Waldboden, an. Es ging wieder Richtung Hotel. Jürgen stieg hier aus, er fühlte sich locker genug, um den abendlichen Wettkampf in Angriff zu nehmen. 50 Minuten waren wir gelaufen. Ich machte mich wieder auf den Weg zurück in den Wald, wollte noch eine kleine Runde laufen. "Jetzt bin ich sowieso nass, da kommt es auf die paar Minuten auch nicht mehr an", dachte ich mir. 

Eine Stunde war vorüber. Nicht einmal der Gedanke an ein Umkehren war mir im Kopf. Bog auf die "Wildschweinrunde" ein, und folgte dieser. Die anderen, einschließlich Rocco, kamen mir auf den ersten Metern entgegen. Wie ich, waren auch sie durchnässt. Müde und nach einer Dusche schreiend eilten sie dem Hotel entgegen. Ein kurzer Gruß, und ich war wieder alleine. 

Die erste Runde, von etwa 3 Kilometern war zurückgelegt. Immer noch locker, aber ein wenig schneller rannte ich jetzt durch den Wald. So verging eine Dreiviertelstunde. Runde um Runde, ohne auch nur das geringste Anzeichen, von Anstrengung. Ich hatte wieder Spaß gefunden, Spaß an langen Läufen. Vor 3 Jahren lief ich fast schon regelmäßig an die 2 Stunden heran, manchmal darüber. Immer weiter, Spaß an der Länge, fliegen, dahin treiben. Lange hatte ich auf ein solchen Lauf gewartet, jetzt war er wieder da. Gedanken, Überlegungen ließen die Zeit wie im Nu verfliegen. Eine Zufriedenheit, ein wunschloser Zustand stellte sich ein. Nach 1:50 Stunden wollte ich die 2 Stunden Marke erreichen. Eine geht noch, eine geht immer. Es mussten schon 5 oder 6 dieser Waldrunden gewesen sein. Es kam mir nicht so vor. Monoton, gleichmäßig, ohne Tempowechsel, wie ein Uhrwerk, arbeiteten meine Beine. Die frische, durch den Regen feuchte, Waldluft, war für die Lunge das Beste was es gab. 

Zurück zum Hotel. 2 Stunden, und ich blieb stehen. Genug für heute. Die Beine schmerzten zwar ein bisschen, aber das konnte meiner Zufriedenheit keinen Abbruch tun. Auch wenn ich heute nur eine Stunde hätte laufen sollen, konnte ich diese Verdopplung der Laufzeit nicht als Fehler sehen. Wenn's läuft, dann läuft's halt, und man sollte solch einen Moment auskosten. Wer weiß, wann man wieder in den Genuss kommt.

Die Treppen hoch zum Zimmer. Was werden die anderen sagen? Haben sie es gemerkt, dass ich noch nicht zurück bin? Markus war bereits seit gut einer Stunde geduscht, als ich triefend das Zimmer betrat. Etwas ungläubig, fragte er mich nach meiner Laufzeit. Er konnte es nicht glauben. Durch den bei uns gepflegten schwäbische Dialekt, ließ der nächsten "Lacher" nicht lange auf sich warten. Es war wie immer lustig. Nach einer Dusche warf ich mich gleich ins Bett. Trotz Metallmusik im Ohr, viel es mir nicht schwer einen keinen Erholungsschlaf einzulegen. 

Nicht von Strand und Meer, Sonnenschein und Hitze, nein, jetzt träumte ich von Regen, von Wald, von frischer Waldluft. Führte mir den Lauf noch mal vor Augen. Bei Hitze wäre es sicher nicht so schön gewesen, überlegte ich. Vielleicht kommt es gar nicht so sehr auf die Umgebung, auf die Bedingungen an, es kommt wohl eher darauf an, was man damit macht. An diesem Tag, war Regen schöner als Sonnenschein. Ein langer, langsamer Lauf im Regen ist manchmal eine Willkommene Abwechslung zu trockenen, warmen Bedingungen. Morgen ist es vielleicht wieder andersherum. Laufen ist wie Leben: Mach das Beste daraus, und du kannst nicht unzufrieden sein.

Nicht das ich mit dieser Kolumne jemand ganz spezielles Ansprechen will ;)

 Anmerkung: Erlebnistag: Donnerstag, 23.05.2002

Ergebnisse des Koblenzer Meetings

Stefan Faiß (26.05.2002)